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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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einen genervten Blick zu. Klammheimlich freue ich mich jetzt schon auf die Entschuldigung, die er wird aussprechen müssen. Ich wünschte, das wäre mir an einem anderen Tag passiert.
    Ich stehe auf. Ich ziehe eine große Tüte gemischte Walkers Chips heraus, einen Laib Best of Both Hovis – der Versuch, den Kindern ein paar Ballaststoffe unterzujubeln – und eine Familienpackung geräucherten Schinken, nach dem die Katzen verrückt sind.
    Ich sehe ihn an und ziehe die Augenbrauen hoch. »Ich habe für alles bezahlt«, sage ich. »Möchten Sie den Kassenzettel sehen?«
    »Das ist nicht nötig. Bitte leeren Sie auch die zweite Tüte, Mrs Kallisto.«
    Ein Tetrapack Tropicana orange (ohne Fruchtfleisch) und die fünf Currys. Wie ermüdend, denke ich, aber dann …
    »Oh, Mist.«
    Ich starre auf die Tischplatte. Ich lasse den Kopf hängen und schlage mir die Hände vors Gesicht. »Oh, Mist«, wiederhole ich.
    Als ich meine Finger spreize, sieht er mir direkt ins Gesicht, wie um zu fragen: Und?
    Ich fange an zu lachen.
    »Ich finde das gar nicht lustig«, sagt er.
    »Ich schon.«
    Ich habe es tatsächlich geschafft, die Sammelbüchse neben der Kasse einzupacken. Ich habe sie zusammen mit meinen Einkäufen in die Tüte gesteckt.
    »Bei uns wurden in letzter Zeit mehrere Spendenbüchsen geklaut«, erklärt der Junge wichtigtuerisch. »Letzten Monat waren es zwei Poppy-Day-Dosen, und wie Sie sich vorstellen können, ist die Geschäftsführung außer sich. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die ganze Sache äußerst ernst nehmen. Die Polizei wird in Kürze hier sein, um Sie zu befragen, immerhin ist das schon die dritte Büchse, die wir …«
    Ich unterbreche ihn. »Die gehört mir«, sage ich.
    »Wie bitte?«
    »Das ist meine Büchse«, erkläre ich.
    Ich drehe die gelbe Blechdose um, damit er die Schrift auf der Vorderseite lesen kann. Ich zeige auf das Logo. »Tierheim Rette mich . Ich arbeite da. Ich bin die Leiterin. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit.«
    Er beäugt mich misstrauisch.
    »Sicher haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns an die Vorschriften halten müssen, immerhin handelt es sich um einen ernsten …«
    »Was reden Sie da? Die Sache ist kein bisschen ernst. Wie viel Geld ist denn da drin? Vier, vielleicht fünf Pfund? Sehe ich aus wie jemand, der klauen würde? Sehe ich so verzweifelt aus, dass ich …« Ich mache mir nicht die Mühe, zu Ende zu sprechen. Ich sehe ihn einfach nur an.
    »Die Leute stehlen nicht unbedingt, weil sie es müssten, Mrs Kallisto. Sie tun es, weil sie nicht anders können . Manchmal haben sie überhaupt keinen Grund. Die Leute müssen nicht einmal in einer Notlage sein. Sehen Sie sich mal Antony Worrall Thompson an.«
    »Da haben Sie recht«, gebe ich zu. »Aber ich bin weder Antony Worrall Thompson noch Winona Ryder oder wen immer Sie sonst noch als Kleptomanen anführen möchten. Ich bin eine berufstätige Mutter, die ein paar verdammt anstrengende Tage hinter sich hat, die gestern Abend ein Gläschen zu viel getrunken und sich davon noch nicht ganz erholt hat. Ich habe das Ding ganz automatisch in meine Tüte gepackt, ohne auch nur darüber nachzudenken. Die Tochter meiner besten Freundin wird seit zwei Nächten vermisst, tja, da können Sie sich bestimmt vorstellen, was mir gerade so durch den Kopf geht …«
    Er seufzt. Er sieht zum Wachmann hinüber, der keine Regung zeigt. Nach einer Weile sagt er: »Können Sie irgendwie beweisen, dass Sie in diesem Tierheim arbeiten?«
    Ich öffne meinen Mantel. Ich trage ein flaschengrünes Poloshirt, auf dessen linke Brusttasche ein Pfotenabdruck in Orange aufgenäht ist. Über der Pfote steht in Kinderschrift: Rette mich.
    Ich kann sehen, dass es ihn fast zerreißt. Wahrscheinlich muss er sich mit einem Vorgesetzten beraten, gleichzeitig will er nicht wie ein Vollidiot dastehen, nur weil er seinen Job gemacht hat.
    »Hören Sie … bitte …«, sage ich. »Es tut mir wirklich leid, aber ich bin keine Diebin.«
    Sein Kiefer arbeitet.
    »Sie können gehen«, sagt er.
    Ich nehme meine Tüten in die linke Hand, schlage mir mit der rechten den Mantelkragen hoch, um mich vor der Kälte draußen zu schützen, und halte dann die Spendenbüchse in die Höhe und schüttele sie.
    »Ich hole sie dann in zwei Wochen ab, in Ordnung?«, frage ich. »Und bringe ein paar leere mit?«
    Er antwortet nicht und macht ein niedergeschlagenes Gesicht.
    Als ich durch die Automatiktüren ins Freie trete, kann ich nicht anders, als einmal fröhlich zu

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