Die Schuld einer Mutter
waren.
»Was hältst du von dieser Sache mit den Darling Buds of May, Ron?«
»Reine Zeitverschwendung.«
»Wieso?«
»Tja, diese Kleine, Molly Rigg. Du hast mit ihr gesprochen, oder?«
»Nur kurz.«
»Sie hat lediglich ausgesagt, der Kerl rede wie Pop Larkin. Tja, ich weiß nicht mal, ob David Jason wie jemand aus Kent klingen wollte . Ich dachte immer, die Sendung spielt in Devon oder Dorset – und woher sollte ein Kind ihres Alters den Unterschied kennen? Das Ganze ist ein Rohrkrepierer.«
Joanne muss ihm recht geben. »Der Hinweis ist wirklich recht dünn.«
»Ich verstehe sowieso nicht, warum man sich diesen Müll ansehen sollte. Glaubst du, es wäre besser, du redest allein mit dem Mädchen?«, fragt er und rutscht auf seinem Sitz herum, um etwas aus seiner Tasche zu ziehen.
»Kann sein. Sie ist ziemlich schüchtern. Vielleicht ist es besser, wenn du nicht dabei bist. Du könntest mit der Mutter sprechen, vielleicht ist ihr noch etwas eingefallen.«
»In Ordnung. Wie willst du es angehen?«
»Ich möchte herausfinden, wie er es geschafft hat, sie in seine Wohnung zu schleifen und wieder heraus, ohne dass irgendjemand etwas gesehen oder gehört hat. Das bereitet mir das meiste Kopfzerbrechen. Ich glaube, wenn ich etwas Licht in diese Sache bringen kann, kommen wir weiter.«
Ron nickt und bietet Joanne ein Pfefferminzbonbon an.
»Und wie kann sich jemand, der in einer Einzimmerwohnung lebt, ein Auto leisten?«, fragt sie. »Das passt doch nicht zusammen.«
»Wahrscheinlich ist es nicht seine Wohnung.«
Das Navi tönt, das Ziel sei erreicht, deswegen fährt Joanne an den Straßenrand und schaltet den Motor aus. Sie stehen vor einem Bungalow. Er wirkt recht gepflegt, aber der buttermilchgelbe Anstrich könnte demnächst einmal erneuert werden.
Der Ort liegt in Küstennähe, und es hat hier nicht ansatzweise so viel geschneit wie an den Seen; trotzdem hat jemand die Einfahrt gestreut und eine Extraschaufel auf den Bürgersteig geworfen. Wie rücksichtsvoll, denkt Joanne, als ihre Sohlen über den lachsroten Schotter knirschen.
Fünf Minuten später sitzt Joanne mit Molly in der Küche neben einem alten Heizkörper. Er ist bis zum Anschlag aufgedreht, aber im Zimmer ist es trotzdem kalt. Auf dem Boden liegen kastanienbraune Teppichfliesen. Eine wurde kürzlich erst ausgetauscht, die vor dem Herd; sie ist dunkler als die anderen.
Joanne fängt mit einer Entschuldigung an. »Es tut mir leid, dich wieder damit behelligen zu müssen, Molly, aber du hast ja sicher gehört, dass ein anderes Mädchen in deinem Alter verschwunden ist?«
Sie nickt, ohne Joanne anzusehen. So ein kleines, mageres Ding. Sie sieht aus wie eine Figur aus einem Disney-Film. Riesige Augen, lange Wimpern, dünne Ärmchen.
»Ich bin gekommen, um herauszufinden, ob dir inzwischen noch irgendetwas eingefallen ist. Wir wollen den Mann, der dich verschleppt hat, unbedingt finden, Molly, und im Moment bist du der einzige Mensch …«
»Sie wollen ihn fangen, bevor er noch jemandem wehtut«, platzt Molly heraus.
»Ja, das stimmt.«
Joanne wägt ab, wie sie nun weitermachen soll. »Ehrlich gesagt ist es für uns das Wichtigste, ihn für das zu bestrafen, was er dir angetan hat.« Joanne möchte vermeiden, dass Molly glaubt, es ginge hier nicht in erster Linie um sie. »Wie sah er aus? Kannst du dich daran erinnern?«
Molly schüttelt den Kopf. »Alles war so verschwommen«, sagt sie betrübt. »Nach diesem Getränk, das er mir gab, ist alles verschwommen.«
»Ich weiß, mein Schatz. Ist alles verschwommen, oder sind manche Stellen klarer als andere? War es so wie in einem Traum, wo man weiß, dass die Erinnerung noch da ist, bloß dass man keinen Zugang dazu hat?«
Zum ersten Mal sieht Molly Joanne direkt ins Gesicht. »Genau so war es«, sagt sie. »Ich habe ›verschwommen‹ gesagt, aber eigentlich kann ich es nicht erklären. Es ist so, als hätte ich ein Gefühl für das, was passiert ist, aber ich weiß es nicht mehr genau.«
»Das ist gut«, sagt Joanne und schöpft neue Hoffnung. »Wie wäre es, wenn ich keine konkreten Fragen stelle, sondern du mir einfach beschreibst, wie du dich gefühlt hast? Wie wäre das?« Weil sie sieht, dass Molly die Vorstellung nicht behagt, fügt sie hinzu: »Es geht nicht um das, was er dir angetan hat. Das müssen wir nicht noch einmal besprechen. Ich möchte nur wissen, wohin er dich gebracht hat. Darf ich dir dazu Fragen stellen?«
Molly beißt sich auf die Unterlippe. »Okay«, sagt
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