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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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lächelt mich müde und traurig an. »Ich auch, Baby.«
    Gestern Abend habe ich getrunken, bis ich keinen einzigen Schluck mehr runterbekam. Ich wollte mich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken. Ich wollte den Gedanken keinen Raum mehr lassen. Ich wollte einfach mein Gehirn abschalten.
    Nun muss ich natürlich den Preis dafür bezahlen.
    Ich spüre, wie mein Magen sich zusammenkrampft, bin aber zu zittrig, um aufzustehen. Ich habe Angst, beim ersten Schritt umzukippen.
    Ich bleibe noch ein bisschen im Bett liegen. Vielleicht geht es mir später besser. Vielleicht geht es mir gleich schlagartig besser. Ich kann es mir fast einreden und muss lächeln. Mein Körper meldet sich, er möchte sich übergeben, ich kann es kommen fühlen, tue aber immer noch so, als wäre nichts. Aber auf einmal wird mir heiß, und ich weiß, ich muss das Bett verlassen. Ich kann es genauso gut hinter mich bringen, denke ich und stürze ins Badezimmer. Ich muss mich an den Wänden abstützen.
    Zwei Stunden später bin ich auf dem Weg zur Arbeit. Joe fährt Sam zur Schule und dann weiter zum Krankenhaus in Lancaster, um einen seiner Stammkunden, einen Vitiligo-Patienten, zur UV-Behandlung zu bringen. Ich habe ihm gesagt, dass ich bei Asda in Kendal vorbeifahren werde, um ein paar Sachen fürs Abendessen einzukaufen. Es ist so, wie Kate gestern sagte: Wir müssen trotzdem essen.
    Ich dachte, Sally würde mich am Morgen anflehen, nicht in die Schule zu müssen, aber es kam anders. Heute schien es ihr besser zu gehen, auch wenn sie kein Frühstück wollte. Ich glaube, sie will jetzt bei ihren Freundinnen sein. Mit ihnen möchte sie reden, nicht mit mir. Ich habe noch weiter nachgebohrt, ich wollte alles über Lucinda wissen, aber Sally verschloss sich. Ich weiß nicht genau, ob sie mir noch mehr verschweigt, oder ob sie sich so schlecht fühlt, dass sie einfach nicht mehr reden kann.
    Die Wintersonne blendet mich. Der Tag ist auf obszöne Weise schön. Alpinweiß. Alles ist immer noch von Schnee bedeckt. Es ist so kalt, dass der Schnee sich noch nirgendwo in Matsch verwandelt hat, sogar am Fahrbahnrand ist er fast noch so weiß, wie er vom Himmel fiel, nur einen Hauch von Schlamm haben die Autos dagegengespritzt.
    Normalerweise würde mich dieses Wetter mit Freude und mit dem Glücksgefühl erfüllen, in so einer schönen Landschaft zu leben. Ich hätte mir den Verkehrsbericht für die armen Seelen in London angehört, die vier Stunden lang im Stau stecken, während ich hier glücklich lächelnd durch die Gegend rausche. Aber heute fällt mir die Schönheit kaum auf. Das gleißende Sonnenlicht sticht mir schmerzhaft in die Augen.
    Die Windschutzscheibe ist mit Salz verkrustet, und ich habe keine Waschflüssigkeit mehr. Dreimal muss ich am Straßenrand halten, um die Scheibe mit Mineralwasser zu reinigen – eigentlich hatte ich die Flasche mitgenommen, um meinen eigenen Flüssigkeitshaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Hoffentlich hält mich die Polizei nicht an. Nicht nur, dass ich wegen der schlechten Sicht unsicher fahre – ich muss zusätzlich nach Alkohol riechen. Wenn sie mir auch nur einen Tick zu nahe kommen, werde ich ins Röhrchen pusten müssen, und dann bin ich für immer abgestempelt als eine dieser frustrierten Muttis mit zu viel Restalkohol vom Vorabend im Blut.
    Meine Hände am Lenkrad sind eiskalt, obwohl ich Handschuhe trage. Die Luft draußen ist reglos und schwer. Die Kälte kriecht in alle Ritzen. Sie kriecht durch die Steine in unser Haus, durch den Lack in mein Auto.
    Um Viertel vor neun erreiche ich den Asda-Discounter, und der Parkplatz ist wegen der vielen Weihnachtseinkäufer vollkommen belegt. Ich sehe eine Frau von Anfang dreißig aus einem Vitara aussteigen. Sie hat ihr Auto auf dem Eltern-Kind-Parkplatz abgestellt. Sie hat kein Kind dabei, und mich überkommt der Impuls, sie anzusprechen. Sie tut ganz unschuldig. Sie weiß, dass sie im Unrecht ist, aber sie gibt vor, es nicht zu bemerken.
    Schließlich finde ich eine freie Lücke auf dem Ausweichparkplatz, der nur zu Weihnachten und am Ostersonntag benötigt wird.
    Ich habe keinen Einkaufszettel geschrieben, aber ich weiß genau, was ich kaufen will: Fertiggerichte, einen ganzen Wagen voll.
    Nur deswegen habe ich den Umweg zu Asda in Kauf genommen. Die Fertiggerichte sind hier einfach günstiger. Ich habe nicht die Energie, frische Zutaten zu kaufen und selbst zu kochen. Ich will es mir leichtmachen. Einen Haufen Fertiggerichte und Belag für Sandwiches,

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