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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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mehr will ich nicht. Am Samstag wird Joe richtig einkaufen gehen.
    Ich sehe glückliche Mütter, die sich für Weihnachten mit Leckereien eindecken – Nüsse, getrocknete Feigen und Datteln, Zweiliterflaschen Cola.
    Ich steuere das Kühlregal an, vor dem eine Frau steht; drei Kinder sitzen in ihrem Einkaufswagen, allesamt unter vier Jahre alt. Normalerweise würde ich stehen bleiben und Grimassen ziehen, sie anlächeln. Die Mutter bemitleiden und sagen: »Na, Sie haben aber wirklich alle Hände voll zu tun«, oder so etwas in der Art. Aber heute nehme ich sie kaum wahr. Ich kann an nichts anderes denken als an Lucinda. Wo ist sie? Und wo ist der ältere Mann, der sie angesprochen hat?
    Ich entscheide mich für dreimal Hühnchen Korma mit Reis, einmal Hühnchen Madras für Joe, auf das er sich sein geliebtes Chilipulver streuen wird, und einmal Dopiaza für mich.
    Wenn man mit Joe essen geht und der Kellner fragt: »Wie scharf möchten Sie Ihr Gericht auf einer Skala von eins bis zehn, Sir?«
    Dann antwortet Joe: »Zwanzig!«
    Und eigenes Chili hat er auch noch dabei.
    Früher hat es mich gestört, wenn er das Zeug über alles streute, was ich gekocht hatte. »Wie kannst du da überhaupt noch etwas schmecken?«, fragte ich ihn und war verärgert darüber, dass er meine Bemühungen nicht zu schätzen wusste. Mittlerweile macht es mir nichts mehr aus. Es ärgert mich nur noch, wenn wir mit anderen essen und die Männer sich in einen Wettstreit hineinsteigern nach dem Motto: Ich bin der größte Macho hier und würze mein Essen noch schärfer als du (das Ganze bleibt natürlich unausgesprochen). Kindergartenniveau. Das ist so ähnlich wie Ich bin ein größerer Manchester-United-Fan als du . Auch in diesen Wettstreit steigt Joe gern ein.
    Ich frage mich, wie ich auf diesen Unsinn komme, während ich geistesabwesend meine Kreditkarte durch den Schlitz der Selbstbedienungskasse ziehe. Und dann taucht wie aus dem Nichts ein Wachmann auf, gerade als ich den Laden verlassen will, und schnappt sich meine Einkaufstüten.
    »Bitte hier entlang, Madam«, sagt er und nimmt mich beim Ellenbogen.
    Ich bleibe wie vom Donner gerührt stehen.
    »Was tun Sie da?«, frage ich ungläubig, aber er ignoriert mich und zieht mich mit sich – so wie man einen verängstigten, störrischen Hund hinter sich herziehen würde.
    Ich lasse mich zu der Tür neben den Toiletten geleiten, eine unbeschilderte Tür mit braunem Holzfurnier, die mir nie zuvor aufgefallen ist. Die Leute bleiben stehen, um zu glotzen. Manche tun so, als hätten sie nichts bemerkt, und gehen hinter dem Zeitungsständer oder den aufgestapelten Stella-Artois-Bierkästen neben dem Eingang in Deckung, um weiterzuglotzen. Andere glotzen ganz unverhohlen.
    »Ich bitte Sie«, sage ich zu dem Wachmann. »Das ist ein Missverständnis.«
    Er ist ein riesiger Mann und stinkt nach altem Schweiß. Er stößt wortlos die Tür auf und weist mich an, vor einem Schreibtisch Platz zu nehmen, hinter dem ein dünner Mann im Anzug sitzt. Eigentlich handelt es sich fast noch um einen Jungen. Der zu weite Hemdkragen steht ihm vom Hals ab, und seine Schuhe ähneln denen, die mein zwölfjähriger Sohn in der Schule trägt. Der junge Mann wirkt blasiert und selbstzufrieden.
    »Wie lautet Ihr Name?«
    »Den verrate ich Ihnen gern, wenn Sie mir erklären, wie Sie dazu kommen, mich vor allen Leuten wie einen Volltrottel dastehen zu lassen«, antworte ich.
    »Sie werden des Ladendiebstahls verdächtigt.«
    Ich will einen Anfall bekommen und ihn auf das Übelste beschimpfen, beiße mir aber in der letzten Sekunde auf die Zunge. Denn ehrlich gesagt ist mir heute nicht nach Schimpfen zumute. Meine Kopfschmerzen bringen mich um, mein Mund ist ausgetrocknet, und wenn ich mich gestern nicht in meiner eigenen Küche, sondern in einer Kneipe betrunken hätte, hätte ich garantiert jemanden um Zigaretten angeschnorrt. Um möglichst starke, Regal oder Embassy Number 1 .
    Meine Zunge möchte mir am Gaumen kleben bleiben, aber ich sage zu ihm: »Wird das lange dauern?« Ich klinge kein bisschen verärgert. Ich bin ganz kleinlaut. Ganz traurig, so als hätte ich mir tatsächlich etwas zuschulden kommen lassen. So fühle ich mich.
    »Nicht, wenn Sie sich kooperativ zeigen, Miss …?«
    »Lisa Kallisto. Mrs.«
    Er kneift die Lippen zusammen und zeigt auf meine beiden Einkaufstüten. »Wenn ich Sie bitten dürfte, die auf dem Schreibtisch hier auszupacken. Dann können wir uns ansehen, was Sie da haben.«
    Ich werfe ihm

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