Die Schuld wird nie vergehen
zufrieden, unterhalb des Radars der Gesellschaft zu leben. Immerhin«, er lächelte, »habe ich schon seit Jahren keine Steuern mehr bezahlt, und mich rufen auch nicht ständig irgendwelche Rechtsanwälte an. Was will man mehr?«
17. KAPITEL
Ami hatte Vanessa nicht bei den anderen Reportern stehen sehen, als sie mit gesenktem Kopf und eingezogenen Schultern durch die Krankenhauslobby stürmte. Die Menschenmenge, die Scheinwerfer der Fernsehteams und die schreienden Reporter flößten ihr Unbehagen ein. Selbst wenn Ami die Journalistenmeute genauer betrachtet hätte, hätte sie ihre Klientin kaum erkannt. Vanessa trug eine schwarze Perücke, Make-up und eine dunkle Sonnenbrille. Darin wirkte sie eher wie eine schrill gekleidete Klatschkolumnistin denn wie die geschmacklos gekleidete Vertreterin eines Schmierenblatts.
Während die anderen Pressemitglieder auf die Rückkehr der Reporter warteten, die als Vertreter ausgewählt worden waren, um Morellis Anhörung zu verfolgen, sonderte sich Vanessa unauffällig von dem Pressecorps ab und bezog um die Ecke von Leroy Ganetts Büro Stellung. Kurz nachdem die Anhörung beendet war, tauchte Ganett mit Brendan Kirkpatrick an seiner Seite auf. Eine Viertelstunde später verließen die beiden Männer das Arztzimmer, und Vanessa hörte, wie Ganett zu dem Staatsanwalt sagte, dass er in der Cafeteria etwas essen wollte. Sie wartete, bis die Aufzugtüren sich schlössen, und nahm den nächsten Fahrstuhl ins Untergeschoß.
Vanessa tat, als musterte sie die Speisen, während Ganett ein Sandwich, einen Apfel und einen Fruchtsaft auf sein Tablett stellte. Nachdem der Arzt bezahlt hatte, machte sich Vanessa an seine Verfolgung. Er wickelte soeben das Zellophan von seinem Sandwich, als sie ihn ansprach.
»Dr. Ganett, ich bin Sheryl Neidig«, erklärte sie, während sie sich auf den Stuhl dem Arzt gegenüber setzte. »Ich bin von L. A. hierher geflogen, um Informationen über den Little-League-Fall einzuholen.« »Tut mir leid, darüber darf ich nicht sprechen.«
»Das erwarte ich auch im Moment gar nicht. Mir ist klar, dass Sie die ärztliche Schweigepflicht respektieren müssen.«
Dr. Ganett sah sie verblüfft an. »Was wollen Sie dann von mir?«
»Ich arbeite für Phoenix Productions. Wir sind eine unabhängige Produktionsfirma in Hollywood und sondieren die Möglichkeit, einen Film über Daniel Morellis Fall zu drehen.«
»Ich darf mit Ihnen nicht über meinen Patienten reden.«
»Das dürfen Sie schon, falls Mr. Morelli bereit ist, Sie von Ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Ich versichere Ihnen, dass es in seinem finanziellen Interesse liegt, das zu tun. In Ihrem übrigens auch. Wenn er uns die Rechte an seiner Geschichte verkauft, findet sich in unserem Film bestimmt auch eine Rolle, für die Sie sozusagen das Vorbild darstellen.«
»Ich als Vorbild? Naja, ich weiß nicht...«
»Wir würden natürlich Ihren Namen nicht verwenden, es sei denn, Sie möchten es. Da Mr. Morelli verwundet in einem Krankenhaus liegt, muss natürlich ein Arzt in unserem Film auftauchen, und außerdem brauchen wir einen Berater, der uns dabei hilft, den Film so realistisch wie möglich zu machen, was das Medizinische angeht.« Vanessa warf ihm ihr verführerischstes Lächeln zu. »Wären Sie daran nicht interessiert?«
»Ich ... ich weiß nicht. Was müsste ich denn tun?«
»Für Sie wäre das alles ein Kinderspiel. Sie würden dafür sorgen, dass sich unsere Schauspieler wie echte Ärzte verhalten. Sie erklären die medizinischen Prozeduren und solche Sachen. Wir könnten Sie sogar vielleicht als Statist einbauen, wenn Sie Interesse haben, oder eine kleine Nebenrolle ins Drehbuch schreiben, in der Sie persönlich auftauchen.« Vanessa lächelte. »Vielleicht ist das für Sie der Anfang einer vollkommen neuen Karriere.« Ganett war sichtlich interessiert, aber auch nervös. »Das muss ich vorher mit meinem Verwaltungsrat abstimmen.«
»Also hätten Sie Interesse?«
»Vielleicht.«
»Sie würden auch gut für Ihre Mitarbeit bezahlt.«
»Ach ja?«
»Ihr Honorar müssen wir noch aushandeln, aber - bitte verraten Sie niemandem, dass ich Ihnen das gesagt habe - wir reden hier von zehn- bis fünfundzwanzigtausend Dollar.«
»Das klingt ... fair. Wann muss ich Ihnen sagen, ob ich das machen darf?«
Ganett hatte angebissen. Vanessa lächelte. »Wie wäre es, wenn ich Sie morgen anrufe?«
»Einverstanden.«
»Großartig. Wie lautet die Durchwahl zu Ihrem Büro?«
Ganett nannte sie ihr, und
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