Die Schuld wird nie vergehen
Sie tun?« erkundigte sie sich frostig.
»Es geht eher darum, was ich für Sie tun kann. Ich habe mich mit dem ermittelnden Beamten getroffen. Er hat mit weiteren Zeugen gesprochen, und ich konnte mir ein besseres Bild über den Fall machen. Ich hätte einen Vorschlag für Mr. Morelli.«
»Und wie lautet der?«
»Ich bin bereit, die Anklage wegen versuchten Mordes fallen zu lassen, wenn er sich der Körperverletzung eines Beamten schuldig bekennt. Ich beantrage eine dreijährige Haftstrafe. Bei guter Führung dürfte er in einem Jahr wieder draußen sein.«
»Woher kommt denn Ihr plötzlicher Gesinnungswandel?«
»Ich bin mittlerweile überzeugt, dass Morelli den Trainer beschützen wollte, als er mit Barney Lutz gekämpft hat.«
»Warum lassen Sie die Anklage dann nicht gänzlich fallen, wenn es Notwehr war?«
»Ihr Mandant war zu gewalttätig und hat außerdem einen Polizisten verletzt.«
»Morelli wurde von hinten angegriffen. Er wusste nicht, dass es ein Polizist war.«
»Aber er konnte es sehen, nachdem er den Cop zu Boden geworfen hat. Der andere Beamte hat ausgesagt, er habe auf Morelli geschossen, weil er seinem Partner die Gurgel zertrümmern wollte.«
»Er hat im Affekt gehandelt.«
»Möglich. Jedenfalls hat er nicht aufgehört, als er die Uniform sah. Mehr kann ich nicht für ihn tun.«
»Ich unterbreite meinem Mandanten Ihr Angebot«, erwiderte Ami.
»Es ist allerdings an eine Bedingung geknüpft.«
»Und die wäre?«
»Wenn Morelli den Deal will, muss er uns seinen richtigen Namen verraten.«
»Warum?«
»Weil wir nur so überprüfen können, ob er vielleicht wegen weiterer Verbrechen gesucht wird. Wir sind bei dem Versuch, ihn zu identifizieren, in einer Sackgasse gelandet. So etwas ist heutzutage ein bisschen unheimlich. Die Fingerabdrücke von jemandem wie Morelli sollten eigentlich registriert sein.« »Er ist nicht sesshaft. Er hat keinen regelmäßigen Job, und er lässt sich in bar bezahlen.«
»Tom Haven, der Beamte, der Morelli niedergeschossen hat, war ebenfalls beim Militär und versteht etwas von Selbstverteidigung. Er hat mir gesagt, dass nur jemand mit einer exzellenten Ausbildung so kämpfen kann wie Ihr Mandant. Haven hält es für wahrscheinlich, dass Morelli ein ehemaliger Militär ist. Um so merkwürdiger, dass seine Fingerabdrücke nirgendwo aktenkundig sind.« Kirkpatrick machte eine kleine Pause. »Sie werden das sicher nicht glauben, aber Ihr Mandant ist möglicherweise ein ausgebildeter Killer. Ich muss wissen, ob er andere Menschen außer den Cop und Mr. Lutz angegriffen oder verletzt hat.«
»Ich rufe Dan an und melde mich dann bei Ihnen.«
»Gut. Noch eins.«
»Ja?«
»Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich am ersten Tag so barsch zu Ihnen war. Ich kannte Sie nicht und glaubte ehrlich, Sie wären einer von diesen Geiern, die einfach nur Morellis Fall hinterherjagten. Ich hätte keine voreiligen Schlussfolgerungen ziehen sollen.«
Seine Entschuldigung überraschte Ami, aber das linderte ihren Ärger über Kirkpatrick nur unwesentlich.
»Stimmt, das hätten Sie nicht tun sollen«, gab sie zurück.
»Deshalb habe ich mich ja entschuldigt. Ich habe mich etwas umgehört. Sie haben einen guten Ruf.«
»Ich melde mich wieder bei Ihnen«, presste Ami hervor und legte auf.
Dann schaute sie aus ihrem Fenster. Sieh an, dachte sie. Es geschehen doch noch Zeichen und Wunder. Vielleicht hatte sie sich ja in dem Staatsanwalt geirrt, und er war doch kein Idiot. Sie erinnerte sich an das, was Betty Sato ihr über Kirkpatricks Frau erzählt hatte. Ami wusste, wie es sich anfühlte, einen Partner zu verlieren, den man aufrichtig geliebt hatte. So etwas veränderte die Menschen.
Sie nahm Ryans Foto vom Schreibtisch und betrachtete es. Er war ein so wundervoller Junge. Sie hatte Chad verloren, aber sie konnte von Glück reden, dass Sie noch Ryan hatte, den sie lieben konnte. Kirkpatrick hatte kein Kind, das den schicksalhaften Verlust seiner Frau linderte. Sein Leben wurde nur noch von seiner Arbeit ausgefüllt, und diese Arbeit bestand darin, sich mit den furchtbaren Greueln auseinander zu setzen, welche Menschen anderen Frauen, Männern und Kindern zufügten. Man musste einfach hart und argwöhnisch werden, wenn man sich den ganzen Tag nur damit beschäftigte. Ami schloss die Augen und dankte Gott für Ryan.
Nach Chads Tod hatte nur ihr Sohn verhindert, dass sie verrückt wurde. Er hatte ihr Hoffnung gegeben. Ohne ihn wäre sie vielleicht in ihrer
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