Die Schuld
Vorstellung, wer dahinter steckt?«, fragte Clay. »Nein. Die werden wie Kettenbriefe durch die Stadt gefaxt.«
»Haben diese Leute nichts Besseres zu tun?«
»Vermutlich nicht. Keine Sorge, Mr Carter, oben war die Luft schon immer dünn.«
»Jetzt habe ich also meinen ganz persönlichen Rundbrief. Dabei kannte vor achtzehn Monaten noch niemand meinen Namen.«
Draußen wurde plötzlich Unruhe laut - scharfe, wütende Stimmen. Clay und Oscar stürzten auf den Gang, wo der Wachmann mit einem sehr aufgebrachten Herrn rang. Von überall her liefen Anwälte und Sekretärinnen zusammen. »Wo ist Clay Carter?«, brüllte der Mann.
»Hier«, schrie Clay zurück. Er ging zu ihm. »Was wollen Sie von mir?«
Der Eindringling verhielt sich plötzlich ganz ruhig, obwohl der Wachmann seinen Griff nicht gelöst hatte. »Ich bin einer Ihrer Mandanten«, stieß er schwer atmend hervor. »Und Sie nehmen Ihre Hände weg!« Damit schüttelte er den Wachmann ab.
»Lassen Sie ihn«, sagte Clay.
»Ich möchte mich mit meinem Anwalt besprechen«, erklärte der Fremde.
»So vereinbart man keinen Termin«, lautete Clays unterkühlte Antwort. Schließlich wurde er von seinen Angestellten beobachtet.
»Ich habe es anders versucht, aber sämtliche Leitungen sind belegt. Sie haben uns einen guten Vergleich mit der Zementfirma verdorben, und wir wollen wissen, warum. Nicht genug Geld für Sie?«
»Sie glauben wohl alles, was in der Zeitung steht«, meinte Clay.
»Ich glaube, dass unser eigener Anwalt uns betrogen hat. Dagegen werden wir uns wehren.«
»Sie und Ihre Freunde sollten aufhören, die Zeitungen zu lesen, und sich nicht so aufregen. Wir arbeiten immer noch an dem Vergleich.« Das war eine reine Zwecklüge, aber zumindest hier in seiner Kanzlei musste er Rebellion im Keim ersticken. »Reduzieren Sie Ihr Honorar, und besorgen Sie uns ein bisschen Geld«, fauchte der Mann. »Das lassen Ihnen Ihre Mandanten ausrichten.«
»Ich hole einen Vergleich für Sie heraus«, besänftigte ihn Clay mit falschem Lächeln. »Regen Sie sich nicht auf.«
»Sonst wenden wir uns an die Anwaltskammer.«
»Beruhigen Sie sich.«
Der Mann wich zurück, wandte sich um und verließ die Kanzlei. »Alles zurück an die Arbeit!« Clay klatschte in die Hände, als hätten sie jede Menge zu tun.
Eine Stunde später schneite wie eine zufällige Besucherin Rebecca herein und überreichte der Empfangsdame eine Nachricht._»Bitte geben Sie das Mr Carter«, sagte sie. »Es ist sehr wichtig.«
Die Empfangsdame wechselte einen Blick mit dem Wachmann. Immerhin herrschte höchste Alarmstufe. Nach einigen Sekunden kamen sie zu dem Schluss, dass die attraktive junge Frau vermutlich keine Bedrohung darstellte. »Ich bin eine alte Freundin«, erklärte Rebecca.
Wer auch immer sie war, Mr Carter kam so schnell aus den hinteren Räumen der Kanzlei geschossen wie noch nie in der kurzen Geschichte des Unternehmens. Sie ließen sich in der Besprechungsecke seines Büros nieder, Rebecca auf dem Sofa und Clay auf einem Stuhl, den er so nah wie möglich heranzog. Lange Zeit sagte keiner von ihnen etwas. Clay war zu aufgeregt, um einen zusammenhängenden Satz herauszubringen. Ihr Erscheinen konnte hundert verschiedene Dinge bedeuten. Auf jeden Fall war es ein gutes Zeichen.
Am liebsten hätte er sich auf sie gestürzt, um ihren Körper zu spüren, das Parfüm an ihrem Hals zu riechen, mit seinen Händen über ihre Beine zu fahren. Nichts hatte sich verändert - Frisur, Makeup, Lippenstift, Armband, alles war gleich geblieben. »Du schaust mir auf die Beine«, sagte sie schließlich. »Stimmt.«
»Clay, geht es dir gut? Ich habe schreckliche Dinge über dich gelesen.«
»Und deswegen bist du hier?«
»Ja. Ich mache mir Sorgen.«
»Das heißt, dass ich dir nicht gleichgültig bin.«
»Nein, das bist du nicht.«
»Du hast mich also nicht vergessen?«
»Nein. Im Augenblick bin ich etwas abgelenkt, wegen meiner Ehe und so, aber ich denke an dich.«
»Ständig?«
»Na ja, immer öfter.«
Clay schloss die Augen und legte eine Hand auf ihr Knie. Rebecca stieß sie sofort zur Seite. »Ich bin verheiratet, Clay.«
»Dann lass uns Ehebruch begehen.«
»Nein.«
»Abgelenkt? Das klingt wie eine vorübergehende Angelegenheit. Was ist los, Rebecca?«
»Ich bin nicht hier, um über meine Ehe zu reden. Ich war in der Nähe, musste an dich denken und kam her.«
»Wie ein Hund, der sich verlaufen hat? Das glaube ich nicht.«
»Brauchst du auch nicht. Wie geht's deiner
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