Die Schuld
wurde es in seinem Zimmer allmählich dunkel. Oscar schilderte die Schlussplädoyers und die steigende Spannung, mit der das Urteil erwartet worden war. Er beschrieb das entsetzte Gesicht der Klägerin, einer unheilbar kranken Frau, deren Anwalt Goffmans Angebot, das angeblich bei zehn Millionen gelegen hatte, nicht hatte annehmen wollen. Mooneyham, der so lange nicht mehr verloren hatte, dass er vergessen hatte, wie das war, wollte die Geschworenen zwingen, Fragebogen auszufüllen und ihre Beweggründe zu erklären. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war und sich, auf seinen Stock gestützt, mühsam erhoben hatte, benahm er sich völlig daneben. Auch die Goffman-Seite war schockiert. Mit gesenkten Köpfen hatten die Männer in den dunklen Anzügen wie ins Gebet versunken dagesessen, bis der Sprecher der Geschworenen die erlösenden Worte sprach. Dann brach eine wahre Stampede los, als die Wall-Street-Analysten mit ihren Telefonen davonrannten.
»Ich geh jetzt was trinken.« Mit diesen Worten beendete Oscar seinen Bericht.
Clay rief eine Schwester und ließ sich eine Schlaftablette geben.
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N achdem er elf Tage lang eingesperrt gewesen war, wurde Clay endlich in die Freiheit entlassen. Der Verband an seinem linken Bein war durch einen leichteren Gips ersetzt worden, und wenn er auch nicht gehen konnte, so konnte er zumindest ein wenig manövrieren. Paulette schob seinen Rollstuhl aus dem Krankenhaus zu einem gemieteten Kleinbus, den Oscar Mulrooney fuhr. Eine Viertelstunde später rollten sie ihn in sein Washingtoner Haus und sperrten die Tür hinter ihm ab. Paulette und Miss Glick hatten das Fernsehzimmer im Erdgeschoss in ein provisorisches Büro verwandelt. Telefone, Fax und Computer standen auf einem Klapptisch neben seinem Bett. Seine Kleidung lag sauber gestapelt auf Plastikregalen neben dem Kamin.
Während der ersten beiden Stunden nach seiner Heimkehr las er Post, Finanzberichte und Zeitungsausschnitte, alles von Paulette vorsortiert. Das meiste, das über ihn geschrieben worden war, sollte er nicht zu Gesicht bekommen.
Als er später nach einem Nickerchen mit Paulette und Oscar am Küchentisch saß, verkündete er, dass es Zeit war anzufangen.
Der Auflösungsprozess hatte begonnen.
Als Erstes ging es um die Kanzlei. Es war Crittle gelungen, ein paar Einsparungen vorzunehmen, aber die Gemeinkosten lagen mit einer Million Dollar pro Monat immer noch Schwindel erregend hoch. Ohne gegenwärtige oder zu erwartende Einkünfte waren Entlassungen unvermeidlich. Sie gingen die Liste der Angestellten durch - Anwälte, Anwaltsassistenten, Sekretärinnen, Sachbearbeiter, Laufburschen - und nahmen schmerzliche Einschnitte vor. Obwohl sie die Maxatil-Fälle für wertlos hielten, mussten die Vorgänge abgeschlossen werden. Dafür behielt Clay vier Anwälte und vier Anwaltsassistenten. Er war entschlossen, alle Verträge zu erfüllen, die er mit seinen Angestellten abgeschlossen hatte, aber das würde an seinen dringend benötigten Barreserven zehren.
Als er sich die Namen der Mitarbeiter ansah, die er entlassen musste, wurde ihm übel. »Ich möchte noch mal darüber schlafen«, sagte er, unfähig, eine endgültige Entscheidung zu treffen.
»Die meisten rechnen damit, Clay«, erinnerte ihn Paulette.
Er starrte auf die Namen und versuchte, sich vorzustellen, welche Gerüchte in den Gängen seiner eigenen Kanzlei über ihn in Umlauf waren.
Zwei Tage zuvor hatte sich Oscar Mulrooney widerstrebend bereit erklärt, nach New York zu fliegen und mit Helen Warshaw zu sprechen. Er hatte in groben Zügen Clay Carters Vermögenswerte und seine potenziellen Verbindlichkeiten geschildert und praktisch um Gnade gefleht. Sein Chef wolle nicht in Konkurs gehen, aber wenn Miss Warshaw zu viel Druck ausübe, bleibe ihm keine andere Wahl. Das hatte sie kalt gelassen. Clay war nur einer aus der Gruppe der von ihr verklagten Anwälte, deren Netto vermögen sie insgesamt auf 1,5 Milliarden schätzte. Sie konnte sich unmöglich mit Clay auf beispielsweise eine armselige Million einigen, wenn Patton Frenchs Fälle vielleicht dreimal so viel einbrachten. Außerdem stand ihr der Sinn nicht nach einem Vergleich. Es würde ein wichtiger Prozess werden - ein kühner Versuch, den Missbrauch des Systems anzuprangern, ein großes Medienspektakel. Sie hatte vor, jeden Augenblick zu genießen.
Oscar kehrte mit eingezogenem Schwanz nach Washington zurück. Er war überzeugt davon, dass Helen Warshaw, die die größte Gruppe von Clays
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