Die Schuld
Frauen, Freundinnen oder ehemaligen Assistenten einzustellen. Eben die üblichen miesen Geschäfte, durch die das große Geld sich hier auszeichnet. Schließlich kam ein schmutziger Deal zustande, in den auch hohe Tiere aus dem Weißen Haus, dem Außenministerium, der Drug Enforcement Administration, dem FBI und ein paar anderen Behörden verwickelt waren. Über diesen Deal existieren keinerlei schriftliche Unterlagen, Bestechung spielte keine Rolle. Mein Auftraggeber hat alle auf eine sehr geschickte Weise davon überzeugt, dass Tarvan vielleicht die Welt retten könnte. Aber eben nur dann, wenn das Medikament noch in einem weiteren Laboratorium für Menschenversuche getestet werden kann. Der Deal wurde abgeschlossen, weil das Genehmigungsverfahren durch die FDA zwei bis drei Jahre in Anspruch genommen hätte und das Verhältnis zwischen der Behörde und dem Weißen Haus alles andere als gut ist. Die hohen Tiere, deren Namen sich nicht mehr ermitteln lassen, haben einen Weg gefunden, Tarvan in ein paar sorgfältig ausgewählte, vom Staat finanzierte Drogeneinrichtungen in Washington einzuschmuggeln. Wenn das Experiment erfolgreich verlaufen wäre, hätten das Weiße Haus und die hohen Tiere erbarmungslosen Druck auf die FDA ausgeübt, die Zulassung des Medikaments umgehend zu genehmigen.«
»Wusste Ihr Auftraggeber von den acht Prozent, als das Geschäft abgeschlossen wurde?«
»Keine Ahnung. Er hat mir nicht alles erzählt, wird es auch nie tun, und ich stelle nicht allzu viele Fragen. Das ist nicht mein Problem. Aber ich vermute, dass er nichts von den acht Prozent wusste. Sonst wäre es ein zu großes Risiko gewesen, das Experiment hier in Washington zu starten. Alles ging sehr schnell, Mr Carter.«
»Sie können mich jetzt Clay nennen.«
»Danke, Clay.«
»Keine Ursache.«
»Ich habe Ihnen erzählt, dass Bestechung keine Rolle spielte. Zumindest hat mein Auftraggeber das behauptet. Aber lassen Sie uns die Sache mal realistisch betrachten. Bei der Schätzung, wie viel Profit Tarvan während der nächsten zehn Jahre bringen würde, ging man von dreißig Milliarden Dollar aus nicht etwa Umsatz, sondern Reingewinn. Zusätzlich wurde für den gleichen Zeitraum prognostiziert, dass durch Tarvan ungefähr hundert Milliarden Dollar Steuergelder eingespart werden könnten. Da ist es praktisch unvorstellbar, dass kein Schmiergeld im Spiel gewesen sein soll.«
»Aber all das ist bereits Schnee von gestern?«
»Richtig. Vor sechs Tagen wurde das Medikament zurückgezogen. All die tollen Entziehungseinrichtungen in Mexiko City, Singapur und Belgrad wurden mitten in der Nacht dichtgemacht, und das nette Personal verschwand spurlos. Die Experimente haben nie stattgefunden, alle Unterlagen sind im Reißwolf gelandet. Mein Auftraggeber hat nie etwas von einem Medikament namens Tarvan gehört. Wir wollen, dass auch nie wieder die Rede davon sein wird.«
»Ich schätze, damit komme ich auf die Bühne.«
»Nur, wenn Sie die Rolle übernehmen wollen. Sollten Sie ablehnen, werde ich mit einem anderen Anwalt reden.«
»Was ablehnen?«
»Mein Angebot, Mr Carter, unser Geschäft. Mit Tarvan behandelte Abhängige haben in Washington bisher fünf Menschen umgebracht. Ein armer Kerl, Washad Porters erstes Opfer, liegt noch im Koma und wird es wahrscheinlich nicht schaffen. Er wäre Nummer sechs. Wir kennen die Namen der Mörder und die ihrer Opfer, und wir wissen, wie sie ums Leben gekommen sind. Unser Wunsch ist es, dass Sie ihre Familien vertreten. Sie gewinnen sie als Mandanten, wir zahlen sie aus, und dann ist alles schnell in trockenen Tüchern. Die Sache geht in aller Stille über die Bühne: ohne Klage, ohne Gerichtsverfahren, ohne jede Publicity. Es dürfen keine Spuren zurückbleiben.«
»Warum sollten sich die Familien von mir vertreten lassen?«
»Weil sie bis jetzt keine Ahnung haben, dass es einen Grund gibt, weshalb sie Klage erheben könnten. Sie glauben, ihre Lieben wären aus blankem Zufall von irgendwelchen Kriminellen umgebracht worden. So läuft das hier: Dein Sohn wird von einem anderen Straßenjungen erschossen, du begräbst dein Kind, der Mörder wird verhaftet. Du verfolgst den Prozess und hoffst, dass der Mörder für den Rest seines Lebens hinter Gittern verschwindet. Aber keiner von diesen Leuten würde jemals auf die Idee kommen, selbst vor Gericht zu gehen. Wen sollten sie auch verklagen? Etwa den Jungen, den Mörder? Einen solchen Fall würde selbst der ärmste Anwalt nicht übernehmen. Sie
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