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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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während im Hintergrund ein Faxgerät brummte. Clay konnte sich lebhaft vorstellen, wie der Anwalt in seiner Gulfstream auf und ab ging, während das Flugzeug auf dem Rollfeld in Beaumont stand. »Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.« Damit war das Gespräch zu Ende.
22
    R ex Crittle wollte schimpfen, erklären, ermahnen, aber seinen Klienten, der ihm am Schreibtisch gegenüber saß, schienen die Zahlen nicht im Geringsten zu beeindrucken.
    »Ihre Kanzlei ist sechs Monate alt«, sagte Crittle, der Clay über die Gläser seiner Lesebrille hinweg ansah, vor sich einen Stapel Berichte. Die Beweise! Er war jetzt ganz sicher, dass die kleine Kanzlei J. Clay Carter II. von kompletten Idioten geleitet wurde. »Ihre Gemeinkosten lagen am Anfang bei fünfundsiebzigtausend pro Monat, was schon recht hoch ist drei Anwälte, ein Anwaltsassistent, eine Sekretärin, hohe Miete, repräsentative Büroräume. Inzwischen ist es eine halbe Million Dollar im Monat, und jeden Tag wird es mehr.«
    »Geld kann man nur verdienen, wenn man es ausgibt«, sagte Clay, trank dann einen Schluck Kaffee und genoss das Unbehagen seines Buchhalters. Ein guter Erbsenzähler zeichnete sich dadurch aus, dass er sich mehr Gedanken über die Ausgaben machte als der Klient selbst.
    »Aber Sie verdienen ja nichts«, sagte Crittle vorsichtig. »In den letzten drei Monaten war kein Umsatz zu verzeichnen.«
    »Das letzte Jahr ist nicht schlecht gewesen.«
    »O ja. Bei Honoraren in Höhe von fünfzehn Millionen kann man durchaus von einem hervorragenden Jahr sprechen. Das Problem ist, dass Sie es nur so zum Fenster hinauswerfen. Letzten Monat haben Sie vierzehntausend Dollar für das Chartern von Flugzeugen ausgegeben.«
    »Ach, da wir gerade davon sprechen - ich überlege, ob ich mir nicht ein Flugzeug kaufen soll. Rechnen Sie das doch mal durch.«
    »Das tue ich sofort, und ich komme zu dem Ergebnis, dass es keinen Grund gibt, ein Flugzeug zu kaufen.«
    »Darum geht es nicht. Es geht darum, ob ich mir eines leisten kann oder nicht.«
    »Nein, Sie können sich kein Flugzeug leisten.«
    »Sagen Sie das nicht. Es kommt bald wieder Geld herein.«
    »Ich nehme an, Sie reden von den Dyloft-Fällen? Vier Millionen Dollar für Werbung. Dreitausend pro Monat für die Dyloft-Website. Und jetzt auch noch dreitausend pro Monat für das Dyloft-Rundschreiben. Außerdem die Anwaltsassistenten in Manassas. Und die neuen Anwälte.«
    »Ich glaube, es geht nur um die Frage, ob ich einen Leasingvertrag für fünf Jahre abschließe oder mir gleich eine kaufe.«
    »Was? Wen?«
    »Eine Gulfstream.«
    »Was ist eine Gulfstream?«
    »Das beste Privatflugzeug der Welt.«
    »Was, bitte schön, wollen Sie mit einer Gulfstream machen?«
    »Fliegen.«
    »Und warum sind Sie der Meinung, dass Sie eine brauchen?«
    »Alle erfolgreichen Anwälte, die sich auf Sammelklagen spezialisiert haben, besitzen eine.«
    »Ah. Verstehe.«
    »Ich wusste, dass ich Sie rumkriege.«
    »Haben Sie in etwa eine Vorstellung davon, wie viel eine Gulfstream kosten würde?«
    »Vierzig, fünfundvierzig Millionen.«
    »Mr Carter, ich sage es Ihnen nur äußerst ungern, aber Sie haben keine vierzig Millionen.«
    »Ja, da haben Sie Recht. Ich glaube, ich werde einen Leasingvertrag abschließen.«
    Crittle nahm seine Lesebrille ab und massierte sich die lange, knochige Nase, als würde sich dort eine Migräne entwickeln. »Mr Carter, ich bin nur Ihr Buchhalter. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es sonst jemanden gibt, der Ihnen rät, alles etwas langsamer anzugehen. Lassen Sie sich Zeit. Sie haben ein Vermögen verdient. Genießen Sie es. Sie brauchen keine Großkanzlei mit Dutzenden Anwälten. Sie brauchen keine Flugzeuge. Was wollen Sie sich als Nächstes anschaffen? Eine Jacht vielleicht?«
    »Ja.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Ja.«
    »Ich dachte, Sie können Boote nicht ausstehen?«
    »Das stimmt auch. Das Boot ist für meinen Vater. Kann ich es abschreiben?«
    »Nein.«
    »Wetten, dass es geht?«
    »Wie?«
    »Ich vermiete es, wenn ich es nicht benutze.«
    Crittle nahm die Finger von der Nase, setzte seine Brille wieder auf und sagte: »Nun, es ist Ihr Geld, Mr Carter.«
     
    Sie trafen sich in New York, auf neutralem Boden. Der schmuddelige Bankettsaal eines alten Ho tels in der Nähe des Central Park war so ziemlich der letzte Ort, an dem jemand eine derart wichtige Besprechung vermuten würde. Auf der einen Seite des Tisches saßen die Mitglieder des Ausschusses, der die Kläger im Fall Dyloft vertrat -

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