Die Schuld
Anrufe von Reportern entgegen. Um elf kam jemand vom Wall Street Journal, der auch einen Fotografen mitbrachte. Gleich zu Anfang des Gesprächs stellte Clay fest dass der Reporter genauso viel über den Vergleich wusste wie er selbst. »So was kann man nicht unter den Teppich kehren«, sagte er. »Wir wissen sogar, in welchem Hotel Sie sich versteckt hatten.«
Inoffiziell beantwortete Clay sämtliche Fragen, die ihm gestellt wurden. Offiziell wollte er den Vergleich nicht kommentieren. Allerdings gab er bereitwillig einige Informationen zu seiner Person heraus und sprach über seinen schnellen Aufstieg innerhalb weniger Monate aus den Tiefen des OPD zum sagenhaft reichen Anwalt für Sammelklagen, die erfolgreiche Kanzlei, die er gerade aufbaute, und so weiter und so fort. Er konnte geradezu sehen, wie der Artikel Gestalt annahm, und war sicher, dass er sensationell sein würde.
Am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, las er ihn online. Illustriert war der Artikel mit einer jener grässlichen Karikaturen, für die das Magazin bekannt war, und genau über seinen verzerrten Gesichtszügen stand die Schlagzeile: DER KÖNIG DER SAMMELKLAGEN. IN SECHS MONATEN VON 40.000 DOLLAR AUF EINHUNDERT MILLION. Die Unterüberschrift lautete: »So macht Jura Spaß!«
Es war ein sehr langer Artikel, in dem es ausschließlich um Clay ging. Sein beruflicher Werdegang, die Kindheit in Washington, sein Vater, das Jurastudium an der Georgetown-Universität, schmeichelhafte Bemerkungen von Glenda und Jerniame aus dem OPD, ein Kommentar von einem Professor, an den er sich schon gar nicht mehr erinnern konnte, eine kurze Zusammenfassung des Dyloft-Vergleichs. Das Beste war ein ausführliches Gespräch mit Patton French. Darin bezeichnete der »bekannte, auf Sammelklagen spezialisierte Anwalt« Clay Carter als unseren »erfolgreichsten jungen Kollegen«, lobte ihn als »furchtlos« und nannte ihn »eine Persönlichkeit, deren Stimme gehört werden wird«. »Die amerikanische Wirtschaft muss sich in Acht nehmen«, ging die Litanei weiter. Und dann: »Clay Carter ist der neue König der Sammelklagen, daran gibt es keinen Zweifel.«
Clay las den Artikel zweimal, dann schickte er ihn per E-Mail an Rebecca, nachdem er oben und unten »Rebecca, warte bitte, Clay« hinzugefügt hatte. Er sandte ihr die Mail nach Hause und ins Büro, und da er schon einmal dabei war, löschte er die Mitteilung für Rebecca und faxte ihn auch an das Büro der BvH Group. Die Hochzeit sollte bereits in einem Monat stattfinden.
Als er schließlich in der Kanzlei eintraf, drückte ihm Miss Glick einen ganzen Stapel Nachrichten in die Hand - etwa die Hälfte davon war von alten Kommilitonen, die sich scherzhaft nach Darlehen erkundigten, die andere Hälfte kam von Journalisten aller Art. In der Kanzlei ging es noch chaotischer zu als sonst. Paulette, Jonah und Rodney rannten hektisch durch die Gegend und wussten nicht, was sie zuerst tun sollten. Sämtliche Mandanten bestanden darauf, ihr Geld noch am gleichen Tag zu bekommen.
Zum Glück zeigt sich die Yale-Filiale unter Leitung eines zu Höchstform auflaufenden Oscar Mulrooney der Herausforderung gewachsen und entwickelte einen Plan, wie die Kanzlei bis zur Auszahlung des Geldes überleben konnte. Clay sorgte dafür, dass Mulrooney in ein Büro auf der gleichen Etage umzog, verdoppelte das Gehalt des jungen Anwalts und trug ihm auf, sich um das Chaos zu kümmern.
Er selbst brauchte Urlaub.
Da Jarrett Carters Reisepass ohne viel Aufhebens vom Justizministerium kassiert worden war, war er in seiner Bewegungsfreiheit etwas eingeschränkt. Er war sich nicht ganz sicher, ob er in die Vereinigten Staaten zurückkehren konnte oder nicht, allerdings hatte er es sechs Jahre lang auch nicht versucht. Bei der nie in schriftlicher Form festgehaltenen Vereinbarung mit den Behörden, die ihm eine Ausreise ohne Anklageerhebung ermöglicht hatte, gab es viele lose Enden. »Wir bleiben besser auf den Bahamas«, sagte er am Telefon zu Clay.
Sie verließen Abaco in einer Cessna Citation V, einem anderen Spielzeug aus der Flotte, die Clay entdeckt hatte, und flogen ins neunzig Minuten entfernte Nassau. Jarrett wartete, bis sie in der Luft waren, und sagte dann: »Okay, leg los.« Er hatte bereits ein Bier in der Hand und sah mit seinen ausgefransten Jeansshorts, den Sandalen und einer alten Fischermütze wie ein auf die Inseln verbannter Exilamerikaner aus, der dort das ungebundene Leben eines Piraten führte.
Clay nahm sich
Weitere Kostenlose Bücher