Die Schuld
Mund und wechselte das Thema. »Wirst du deiner Mutter auch unter die Arme greifen?«
»Vermutlich nicht. Sie braucht keine Hilfe. Ihr Mann hat schließlich eine Menge Geld, oder hast du das vergessen?«
»Wann hast du das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
»Vor elf Jahren. Warum interessiert dich das eigentlich?«
»Ich bin nur neugierig. Ist schon merkwürdig. Man heiratet eine Frau, lebt fünfundzwanzig Jahre mit ihr zusammen und fragt sich dann manchmal, was sie heute macht.«
»Lass uns über was anderes reden.«
»Rebecca.«
»Nächstes Thema.«
»Was hältst du von einer Runde Craps? Ich bin dir viertausend Dollar voraus.«
Als Mr Ted Worley aus Upper Marlboro, Maryland, einen dicken Umschlag von der Kanzlei J. Clay Carter II. erhielt, machte er ihn sofort auf. Der alte Mann hatte einige Nachrichtensendungen gesehen, in denen über den Vergleich berichtet worden war. Er hatte die Dyloft-Website im Auge behalten und darauf gewartet, dass ihm jemand mitteilte, es sei nun so weit, er könne sein Geld bei Ackerman Labs abholen.
In dem Brief stand Folgendes: »Sehr geehrter Mr Worley! Herzlichen Glückwunsch. Bezüglich Ihres in Form einer Sammelklage gegen Ackerman Labs geltend gemachten Entschädigungsanspruches wurde vor dem Bezirksgericht für Südmississippi ein Vergleich geschlossen. Als Kläger der Kategorie eins beträgt Ihr Anteil an der Entschädigungszahlung 62.000 Dollar. Gemäß dem zwischen Ihnen und dieser Kanzlei geschlossenen Anwaltsvertrag sind 28 Prozent dieser Summe als Erfolgshonorar zu zahlen. Darüber hinaus ist vom Gericht ein Betrag von 1.400 Dollar genehmigt worden, der für anteilige Verfahrenkosten in Abzug gebracht wird. Die Entschädigungssumme netto beträgt daher 43.240 Dollar. Bitte unterzeichnen Sie die beigefügte Vereinbarung und die Empfangsbestätigung, und schicken Sie diese baldmöglichst im beigefügten Umschlag an uns zurück. Mit freundlichen Grüßen, Oscar Mulrooney, Rechtsanwalt.«
»Jedes Mal ein anderer dieser verdammten Anwälte«, sagte Mr Worley, während er die Seiten umblätterte. Beigefügt war eine Kopie des Gerichtsbeschlusses, mit dem der Vergleich genehmigt wurde, eine Mitteilung für alle Kläger der Sammelklage und einige andere Dokumente, die er gar nicht mehr lesen wollte.
43.240 Dollar! Diese Summe sollte er von einem niederträchtigen Pharmakonzern bekommen, der mit Absicht ein Medikament auf den Markt gebracht hatte, das vier Tumore in seiner Blase hatte wachsen lassen. 43.240 Dollar für Monate voller Angst und Stress und Ungewissheit darüber, ob er leben oder sterben würde. 43.240 Dollar für die Tortur, bei der ein winziges Skalpell mit einer Sonde in seinen Penis und seine Blase eingeführt worden war, das die vier Wucherungen eine nach der anderen abgetragen und durch seinen Penis nach draußen befördert hatte. 43.240 Dollar für drei Tage, in denen er Gewebeklumpen und Blut uriniert hatte.
Die Erinnerung daran ließ ihn zusammenzucken.
Mr Worley rief sechsmal an, hinterließ sechs wütende Nachrichten und wartete sechs Stunden, bevor er von Mr Mulrooney zurückgerufen wurde. »Wer zum Teufel sind Sie?«, fragte er freundlich.
Oscar Mulrooney war in den vergangenen zehn Tag zu einem Experten für Anrufe dieser Art geworden. Er erklärte, dass er der für Mr Worleys Fall zuständige Anwalt sei.
»Dieser Vergleich ist ein Witz!«, zeterte Mr Worley. »Dreiundvierzigtausend Dollar - das ist doch kriminell.«
»Die Ihnen zustehende Summe beträgt zweiundsechzigtausend«, erwiderte Oscar.
»Ich bekomme aber nur dreiundvierzigtausend.«
»Nein, Sie bekommen zweiundsechzigtausend. Sie waren damit einverstanden, Ihrem Anwalt, ohne den Sie gar kein Geld bekommen würden, ein Drittel zu zahlen. Beim Abschluss des Vergleichs wurde das Honorar auf achtundzwanzig Prozent reduziert. Die meisten anderen Anwälte bekommen fünfundvierzig oder fünfzig Prozent.«
»Na, da habe ich ja noch mal Glück gehabt. Diesen Vergleich akzeptiere ich nicht.«
Daraufhin erklärte ihm Oscar in einigen auswendig gelernten Sätzen, dass Ackerman Labs nur so und so viel zahlen könne, ohne Bankrott zu gehen, und Mr Worley in diesem Fall erheblich weniger und vielleicht auch gar nichts bekommen würde.
»Das ist ja alles gut und schön«, sagte Mr Worley. »Aber diesen Vergleich akzeptiere ich nicht.«
»Sie haben keine andere Wahl.«
»Das werden wir sehen.«
»Schauen Sie sich Ihren Anwaltsvertrag an, Mr Worley. Seite elf der Unterlagen, die wir
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