Die Schuldlosen (German Edition)
Gedanken um eine fehlende Hose und ein Paar Schuhe gemacht? Mir ist nicht mal aufgefallen, dass die Sachen weg waren. Sie hätten irgendwo im Garten liegen können, in der Laube oder am Ufer. Es war eine schwarze Hose, und es war dunkel.»
Silvie nickte wieder und wollte wissen: «Bist du immer noch überzeugt, Alex sei es gewesen?»
«Wer denn sonst?», fragte Lothar.
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4. Teil
Die Belastungszeugin
9. bis 13. Oktober 2010
Heike Jentsch fühlte sich am Samstagmorgen noch zerschlagen und hundemüde vom Blutverlust. Nach dem Absaugen hatte sie eine ungewöhnlich heftige Nachblutung gehabt und noch eine Ausschabung über sich ergehen lassen müssen. Sie hatte vorgehabt, das Hotelbett bis zum Sonntagnachmittag nur zu verlassen, wenn sie ins Bad oder etwas essen musste. Stattdessen packte sie ihre Sachen zusammen, schluckte die empfohlene Dosis Vitamin K und zwei Eisentabletten, beglich die Hotelrechnung und trat die Heimreise an.
Bei einer kurzen Pause an einer Raststätte stellte sie fest, dass sie erneut blutete. Am frühen Nachmittag steuerte sie ihren Honda die Rampe hinunter in die Tiefgarage und wunderte sich, dass sie heil angekommen war. Ihr Schädel dröhnte vor Erschöpfung. Sie hatte Mühe, die Augen offen zu halten.
Sie brachte ihren Koffer hinauf in die Wohnung und ging sofort ins Bad. Nachdem sie sich sauber gemacht und eine frische Binde eingelegt hatte, gönnte sie sich eine Verschnaufpause, einen starken Kaffee und drei weitere Pillen. Appetit hatte sie keinen, auch nichts Richtiges im Kühlschrank. Ehe sie die Wohnung wieder verließ, trug sie etwas Rouge auf, um die Blässe zu verdecken. Dann fuhr sie mit dem Lift nach unten und machte sich auf den Weg nach Garsdorf.
Der Laden war längst geschlossen, ihre Eltern kurz vorher zum Krankenhaus gefahren, um Gottfried zu besuchen, dem es schon wieder etwas besser ging. Ihr Bruder hatte sich hingelegt, wie er es nachmittags oft tat. So musste sie sich nur mit ihrer Schwägerin auseinandersetzen.
Gerhild brühte auch noch mal Kaffee auf und legte drei übriggebliebene Apfeltaschen dazu. Dank der inzwischen vier Eisentabletten – die empfohlene Tagesdosis lag bei zwei – wurde Heike schon nach wenigen Bissen und einem Schluck Kaffee übel. Was Gerhild veranlasste, den angeblich verdorbenen Magen als Tatsache zu werten, ihr im Stillen Abbitte zu leisten und das Thema Abtreibung erst gar nicht anzuschneiden. So kamen sie rasch auf Alex zu sprechen.
Gerhild vertrat den Standpunkt, Heike müsse selbst noch einmal zur Wache, damit sich einer der Beamten zur Villa Schopf bequemte und Alex klarmachte, dass er sich von Saskia fernzuhalten habe. Heike wollte erst mal mit ihrer Tochter reden. Doch da war nichts zu machen.
Seit dem vergangenen Nachmittag saß Saskia bei geschlossener Tür in ihrem Zimmer und hörte sich die Geschichte vom Schlossgespenst Hui Buh an, immer nur diese eine. Sie kam bloß zu den Mahlzeiten herunter. Eine Apfeltasche lockte sie allerdings nicht. Ein Marzipanhörnchen wollte sie ebenso wenig.
«Ich will zu meinem Papa», teilte sie durch die geschlossene Tür mit. «Vorher will ich mit keinem Menschen reden. Bestimmt nicht mit der Frau, die ein teures Retortenbaby aus einem Brutkasten geklaut und meinen Papa, der viel Zeit hat und ganz toll schmusen kann, zum Weinen gebracht hat.»
«Ich hab’s dir doch gestern schon gesagt», erinnerte Gerhild. «Der Mistkerl hat ganze Arbeit geleistet.»
Darauf ging Heike nicht ein. Mit müdem Lächeln wandte sie sich wieder der Treppe zu, stieg hinunter und meinte dabei: «Das klingt nicht so, als hätte er sich dramatisch verändert. Viel Zeit, toll schmusen und Geschichten erzählen, so hat er es damals auch gemacht. Wahrscheinlich sollten wir ihm dankbar sein, dass er sich ihr nicht vorgestellt hat mit dem Hinweis, er käme gerade aus dem Gefängnis, wo ich ihn hineingebracht hätte.»
Gerhild glaubte, nicht richtig zu hören, und sah sich genötigt einzugestehen, dass nicht Alex, sondern sie die Geschichte vom Retortenbaby erzählt und ihr Ältester diese Story ein bisschen ausgebaut hatte. Dann saßen sie da.
Wie es weitergehen sollte, wenn Heike nichts gegen Alex unternahm, wusste Gerhild beim besten Willen nicht. «Ich hab nicht die Zeit, Saskia jeden Morgen zur Schule zu fahren und mittags wieder abzuholen», sagte sie. «Ich kann auch nicht jeden Nachmittag hinter ihr her sein und aufpassen.»
«Das verlangt auch keiner von dir», sagte Heike.
«Er
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