Die Schuldlosen (German Edition)
Das wüsste ich jetzt auch gerne. Und zwar ganz genau und von Anfang an. Ich hole nur schnell ein Gläschen für David, dann kannst du loslegen.»
Während sie den Hasemann mit Obstbrei fütterte und anschließend eine Weile auf ihren Knien reiten ließ, tat Lothar ihr den Gefallen. Er holte sehr weit aus, begann bei seinem Appetit auf einen Burger mit Pommes und Alex’ Niedergeschlagenheit. Was sich in der Linde abgespielt hatte, hätte er ihr nicht unbedingt ins Gedächtnis rufen müssen, tat es trotzdem, weil sie nur die zum Teil widersprüchlichen Fassungen der Leute kannte, die vor Gericht ausgesagt hatten.
Schließlich erreichte er den Teil, wie er in der Kneipe nach Alex gesucht und befürchtet hatte, der sei Janice hinterhergelaufen, um von ihr zu hören, mit wem Heike ihn betrog. «Das Biest hatte ihm da einen gewaltigen Floh ins Ohr gesetzt …»
«Moment», unterbrach Silvie ihn und stellte vorübergehend das Hoppe-Reiter-Spiel ein. «Alex ist gelaufen?» Noch ehe Lothar das bestätigen konnte, stellte sie fest: «Natürlich! Mein Gott, bin ich blöd. Warum hat er das denn eben nicht gesagt? Er war besoffen. Du hattest sein Auto. Du hast ihm immer den Schlüssel abgenommen, wenn er etwas trank.»
Lothar nickte und fuhr fort: «Leider bin ich zuerst in die falsche Richtung gefahren, weil ich dachte …»
«Was du dachtest, ist nebensächlich», fiel Silvie ihm erneut ins Wort. «Alex war also zu Fuß. Du bist gefahren und hast vom Auto aus gesehen, wie er Janice ersäuft hat? Ich wusste gar nicht, dass der Astra ein Amphibienfahrzeug war.»
«Nicht sarkastisch werden», tadelte Lothar.
«Das war nicht sarkastisch», erwiderte Silvie. «Man sieht die Greve nämlich nicht, wenn man an den Gärten vorbeifährt. Ich hab früher nie darauf geachtet. Eben habe ich bewusst hingeschaut, und da fiel es mir auf. Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob ein Mann im Mondlicht über die Lauben und Stangenbohnen hinausragt. Aber wenn er gerade jemanden ertränkte, müsste er gebückt gestanden haben. Oder hatte er ihr einen Fuß ins Genick gesetzt wie ein Großwildjäger?»
Lothar blieb ruhig. «Ich habe ihn nicht vom Auto aus gesehen. Zuerst bin ich die Landstraße bis zum Tümpel gefahren, dann zur Villa. Da machte keiner auf. Alex hätte wie ich klingeln müssen. Als er bei Heike eingezogen ist, hatte er seinen Hausschlüssel abgegeben. Ich dachte, wenn mich keiner hört, haben sie ihn auch nicht reingelassen. Und ich hielt es für zwecklos, noch länger nach ihm zu suchen, weil ich annahm, er hätte von der Breitegasse aus den Radweg nach Grevingen genommen. Also bin ich umgekehrt, hab noch kurz überlegt, ob ich bei Hecklers klingeln und fragen soll, ob Janice daheim ist.»
«Warum?», wollte Silvie wissen, wechselte mit David auf die Spieldecke und begann einen Turm aus Holzklötzen zu bauen. «Was ging das Biest dich an? Du warst doch scharf auf sie, gib es zu!»
«Nein», widersprach Lothar gelassen. «Es hätte mich nur beruhigt, wenn ich einen von beiden wohlauf vor mir gesehen hätte. Alex war sturzbetrunken und zuletzt außer sich vor Wut. Hättest du dir keine Sorgen gemacht? Nein, du vermutlich nicht. Du hast ihn nie erlebt, wenn er ausrastete und zuschlug, ich war mehr als einmal dabei. Aber die Hecklers hätten weiß Gott was gedacht, wenn ich um die Zeit nach Janice gefragt hätte. Das war’s mir nicht wert. Dass sie nicht zu Hause waren, konnte ich ja nicht riechen. Und dann fiel mir die Couch in Webers Laube ein. Ich wollte nur noch schnell nachsehen, ob er sich dort verkrochen hatte, um seinen Rausch auszuschlafen.»
Er strich sich über die Augen, als wolle er etwas wegwischen, ehe er weitersprach: «Vom Garten aus habe ich ihn gesehen. Er stand gebückt und breitbeinig mitten im Wasser, als hätte er einen Fisch mit der Hand fangen wollen. Was er wirklich tat, konnte ich zuerst gar nicht erkennen. Ich habe ihn gerufen, er beachtete mich nicht. Also bin ich hin zu ihm. Im Näherkommen sah ich, dass jemand zwischen seinen Beinen lag. Er hatte Janice mit einer Hand im Nacken gepackt und drückte sie mit dem Gesicht ins Wasser. Er ließ sie erst los, als ich ihn anschrie und von ihr wegzerrte. Da war sie aber schon tot.»
«Wie lange?», fragte Silvie, ohne aufzusehen. Sie saß da mit untergezogenen Beinen, als sei sie nur auf die Holzklötze und ihren Sohn konzentriert. Der kannte das Spiel. Es hieß: Gleich kommt der Godzilla und macht alles kaputt. Godzilla wartete gespannt auf seinen
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