Die Schuldlosen (German Edition)
weil Alex ihr immer noch im Kopf herumspukte. Keiner von ihren Gelegenheitsliebhabern hatte an ihn herangereicht.
Sie hätte keine Einwände mehr erhoben, mit ihm in der alten Villa zu leben. Morgens ein Viertelstündchen länger schlafen und die Brötchen auf einem Weg mitnehmen. Sich abends an einen gedeckten Tisch setzen, eine leckere Mahlzeit vorgesetzt bekommen, er war ein guter Koch gewesen, anschließend die Beine hochlegen, während er den Abwasch machte. Danach noch ein Weilchen gemeinsam auf der Couch. Es war nicht nur ein gutes Leben gewesen mit ihm, vor allem war es ein leichtes und unbeschwertes Leben gewesen.
Aber es war schwer vorstellbar, dass ihr Auftauchen ihn heute in helle Freude versetzte und er zu ihren Vorschlägen einfach nur ja und amen sagte oder «Schwamm drüber», nicht nach sechs Jahren hinter Gittern. Einer Auseinandersetzung mit ihm fühlte sie sich nicht gewachsen.
Abgesehen davon war die Binde schon wieder feucht, das spürte sie deutlich. Im Elternhaus hatte sie nicht kontrollieren, Gerhild auch nicht um eine frische bitten mögen. Sie hätte zwar behaupten können, gerade ihre Tage bekommen zu haben, aber wahrscheinlich hätte Gerhild ihr nicht geglaubt.
Womit sie dann bei dem Thema gewesen wären, das Heike unbedingt vermeiden wollte. Jetzt noch mehr als vorher. Damit nicht irgendwann Alex davon erfuhr. Das musste wirklich nicht sein. Sollten sie eines Tages wieder so weit kommen, dass es ihn interessierte, wie und mit wem sie die letzten sechs Jahre verbracht hatte, wollte sie ihm höchstens von Helmut erzählen.
Ein Dachdecker und ein netter Kerl, verwitwet, sieben Jahre älter als sie, grundsolide, mit eigenem Betrieb und eigenem Haus. Ihre Mutter wäre höchstwahrscheinlich begeistert von Helmut, wusste aber zum Glück nichts von der Beziehung, die Heike gar nicht als solche bezeichnete.
Vor zwei Jahren hatte sie zweimal am Wochenende bei Helmut übernachtet. Und schon beim zweiten Mal hatte er sich Freiheiten herausgenommen, die ihm nicht zustanden. Seitdem hielt sie ihn an der langen Leine. Ab und zu gönnte sie sich ein Stündchen mit ihm, verzichtete jedoch auf die Annehmlichkeiten und den Komfort in seinem Haus. Es gab einen Whirlpool. Aber man konnte nicht alles haben.
Sicherheitshalber kaufte sie zwei Päckchen Camelia Maxi, etwas Wurst, Käse und Fleisch, um ihrem Magen eine solide Grundlage für weitere Eisentabletten zu bieten. Wieder in ihrer Wohnung, machte sie sich erneut frisch. Zum Glück war es nicht so schlimm wie befürchtet.
Statt noch mehr Kaffee brühte sie sich einen Pfefferminztee auf, belegte zwei Brote mit Schinken und Käse und schob den Couchtisch im Wohnzimmer so nahe an das Sofa heran, dass sie ihre Mahlzeit im Liegen zu sich nehmen konnte. Sie hatte das Gefühl, sich nicht länger auf den Beinen halten zu können.
Doch kaum hatte sie sich ausgestreckt, erklang die Erkennungsmelodie von Mission Impossible . Ihr Handy steckte noch in ihrem Rucksack, den sie anstelle einer Handtasche trug. Sie hatte ihn gewohnheitsmäßig ins Schlafzimmer gebracht. Mühsam stemmte sie sich wieder hoch und schlurfte hinüber, weil sie annahm, es sei Gerhild oder ihre Mutter.
Es war Lothar. «Silvie weiß jetzt Bescheid», begann er.
«Kann ich nicht ändern», sagte Heike, beendete das Gespräch, ehe er noch mehr mitteilen konnte, und schaltete ihr Handy aus, um nicht noch einmal gestört zu werden, ehe sie sich nicht ein bisschen besser fühlte.
Seitdem sie am Freitagnachmittag ihren Mann verhört hatte, war Silvie fest entschlossen, schnellstmöglich mit Heike zu reden. Die Zeiten, in denen der Ansturm auf belegte Brötchen im Kaffeebüdchen nachließ, kannte sie ebenso gut wie Lothar, obwohl sie seit Ewigkeiten nicht mehr dort gewesen war. Am günstigsten wäre der Samstagvormittag gewesen, da war es generell ruhig. Aber wegen Heikes Wochenendtrip musste das Gespräch auf den Montag verschoben werden.
Lothar wäre zu gerne dabei gewesen, um notfalls einzugreifen und zu verhindern, dass Silvie übers Ziel hinausschoss und unnötig Porzellan zerschlagen wurde. Aber er konnte nicht mehr tun, als Heike vorzuwarnen – natürlich nicht so, dass Silvie etwas davon mitbekam.
Das gelang ihm erst am späten Samstagnachmittag, als Silvie mit dem Hasemann in der Badewanne planschte. Da hätte Lothar sogar Zeit für eine längere Unterhaltung gehabt, wurde jedoch kurz und seiner Meinung nach unfreundlich abgefertigt.
Einen weiteren Versuch am Sonntag ersparte
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