Die Schuldlosen (German Edition)
fünfundvierzig sein. Vor zwei Jahren hat Heike sich mit ihm eingelassen. Aber er war einer von denen, die nach dem Arm greifen, wenn man ihnen den kleinen Finger reicht. Und dann wollen sie die ganze Frau, so hat Heike es ausgedrückt. Er hat sich wohl immer noch Hoffnungen gemacht. Heike hat öfter erwähnt, dass er im Kaffeebüdchen Mittagspause macht, wenn er in der Nähe zu tun hat. Dass er auch in ihrer Wohnung war, hat sie mir nicht gesagt. Aber was Männer angeht, hat Heike sich immer bedeckt gehalten.»
Trotz dieser Einschränkung wollte Dina Brelach mehr über den Handwerker wissen. Gerhild erzählte das wenige, was ihr bekannt war, und entschuldigte sich: «Mit einem Namen oder einer Adresse kann ich wirklich nicht dienen, nicht mal mit einer genauen Berufsbezeichnung. Ich weiß nur, dass er um sechs Uhr aufstehen muss und ein großes Haus mit einem Whirlpool hat.»
Obwohl sie und Bernd Leunen sicher waren, dass der attraktive Dunkelhaarige von letzter Woche Dienstag Alex gewesen war, sagte Dina Brelach der Vollständigkeit halber: «Der andere wurde uns als jünger, größer, schlank und gut aussehend beschrieben.» Die Haarfarbe verschwieg sie geflissentlich.
«Und welcher von den beiden war gestern Abend bei Heike?»
«Das wissen wir noch nicht, Frau Jentsch», sagte Dina Brelach wieder.
«Der Jüngere wird Alex gewesen sein», vermutete auch Gerhild. «Er war bestimmt mehr als einmal da. Fragen Sie die Nachbarin mal, um welche Tageszeit sie ihn gesehen hat. Am frühen Nachmittag, da halte ich jede Wette. Mit dem Ersatzschlüssel konnte er jederzeit rein und auf Heike warten.»
Dazu äußerte Dina Brelach sich nicht. Sie wollte als Nächstes wissen, welche Kleidungsstücke Heike gestern getragen hatte.
«Jeans und T-Shirt», sagte Gerhild automatisch. «Sie trägt nur noch Jeans und T-Shirt. Ich glaube, andere Sachen besitzt sie gar nicht mehr. Früher hat sie an Feiertagen mal einen Rock und eine Bluse angezogen, aber das ist …» Sie winkte ab, um zu verdeutlichen, es sei ewig her.
«Welche Jeans und welches Shirt?», hakte Dina Brelach nach.
Gerhild versuchte krampfhaft, sich das gestrige Erscheinungsbild ihrer Schwägerin ins Gedächtnis zu rufen. Eine schwarze Jeans oder eine dunkelblaue? Ein weißes Shirt mit einem grünen Schriftzug im Rücken? Oder war das vorgestern gewesen? Man sah sich jeden Tag und merkte sich so was nicht.
«Tut mir leid», gestand sie. «Ich weiß es gerade nicht. Vielleicht fällt es mir noch ein.»
Dina Brelach lächelte und erkundigte sich auch noch, ob Heike ihre Sachen nach dem Ausziehen immer gleich weggeräumt hätte.
«Ich glaube schon», sagte Gerhild. «Sie war nicht der Typ, der etwas herumliegen ließ oder Sachen auf den Fußboden warf.»
«Hat sie nackt geschlafen?», fragte Dina Brelach.
«Das weiß ich nicht», antwortete Gerhild peinlich berührt. «Solange sie noch hier wohnte, hat sie Schlafanzüge getragen. Aber das ist dreizehn Jahre her. Warum ist es denn wichtig, wie sie geschlafen hat?»
«Weil nichts herumlag», sagte Dina Brelach, «auch kein Schlafanzug.»
Gerhild nickte versonnen. «Sie glauben nicht, dass es ein Unfall war. Sagen Sie es ruhig. Ich glaube es ja auch nicht. Und ehe Sie jetzt anfangen, ganz Grevingen nach einem harmlosen Handwerker abzugrasen, sollten Sie der Villa Schopf einen Besuch abstatten und Alex fragen, wo er gestern Abend war.»
«Das machen wir gleich», ließ Bernd Leunen doch noch etwas von sich hören.
Dina Brelach biss in ihre Apfeltasche, die inzwischen kalt geworden war. Nachdem sie das Stück hinuntergeschluckt hatte, lobte sie: «Vorzüglich.»
«Wollen Sie welche mitnehmen?», fragte Gerhild. «Mein Mann hat aus Gewohnheit die übliche Menge gebacken. Er hat nicht daran gedacht, dass Heike keine mehr verkaufen kann.»
Sie wandte sich an Bernd Leunen. «Wir sollten wohl ein Schild ins Kaffeebüdchen hängen. Wegen Todesfall geschlossen. Das schreibt man doch in so einem Fall, oder?»
«Ich kann mich darum kümmern, wenn Sie einverstanden sind», sagte er. «Dann müssen Sie nicht nur für so ein Schild nach Grevingen fahren.»
«Sie muss auf jeden Fall heute noch einmal hin», belehrte Dina Brelach ihn und wandte sich wieder Gerhild zu. «Wir müssen Ihre Aussage zu Protokoll nehmen, brauchen Ihre Fingerabdrücke und die Kleidung, die Sie heute Morgen anhatten, Frau Jentsch. Das können Sie alles auf der Wache erledigen.»
«Ich habe aber nichts angefasst», versicherte Gerhild. «Nur die
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