Die Schuldlosen (German Edition)
blickenlasse. Tagsüber riskiere ich das, da sind die meisten, die feste zuschlagen können, auf der Arbeit. Aber nach Einbruch der Dunkelheit gehe ich lieber nicht mehr vor die Tür.»
«Dann waren Sie am Dienstagabend der vergangenen Woche auch hier?», fragte Dina Brelach.
«Sicher», erklärte Alex. «Wenn ich immer sage, heißt das immer . Ich nehme solche Warnungen ernst.»
«Wer hat Sie denn gewarnt?», fragte Dina Brelach und nahm unaufgefordert in einem Sessel Platz. Bernd Leunen blieb stehen, betrachtete das Sofa mit der ordentlich gefalteten Decke auf einer Armlehne, den alten Fernseher, den Videorecorder im Fach darunter und all die alten Bücher in den Regalen rundum.
«Ein Freund aus Kindertagen», sagte Alex. «Lothar Steffens. Er empfahl mir einen Umzug auf den Mond. Da könnte ich laufen, bis mir die Luft ausgeht, meinte er.»
«Das klingt nicht freundschaftlich», stellte Dina Brelach fest.
«War’s auch nicht», stimmte Alex zu. «Aber fragen Sie mich nicht, was bei Lothar zu diesem Sinneswandel geführt hat. Damals, also vor meiner Inhaftierung – Ihnen ist bestimmt bekannt, dass ich erst Ende September aus der JVA Ossendorf entlassen wurde.» Er wartete ihr Nicken ab, ehe er weitersprach: «Also damals waren wir wirklich sehr gute Freunde. Das wird Herr Leunen Ihnen bestätigen. Nicht wahr, Bernd?»
Ihn mit Vornamen anzusprechen war ein kleines Risiko, das Alex ganz bewusst einging. Wenigstens einmal klarmachen, dass man sich gut kannte und früher gut miteinander ausgekommen war. Protestieren konnte der Dorfsheriff in dieser Situation kaum. Tat er auch nicht.
Bernd Leunen nickte ebenfalls, meinte dann jedoch: «Zu dem Sinneswandel könnten der entwendete Autoschlüssel und die widerrechtliche Nutzung des Passats geführt haben. Mir würde es auch nicht gefallen, wenn meine Frau einen früheren Freund ins Haus lässt, und der hätte nichts Besseres zu tun, als uns zu bestehlen. Ich weiß nicht, was ich dem empfehlen würde.»
«So war das nicht», stellte Alex richtig und gestattete sich noch ein flüchtiges Lächeln. «Seine Empfehlung hat Lothar samstags ausgesprochen, ehe er mich rauswarf und Silvie ins Krankenhaus brachte. Den Autoschlüssel habe ich mir erst sonntags geborgt, als ich sie besuchte. Da hat sie sich bei mir für seine harschen Worte entschuldigt. Sie konnte sich seine Feindseligkeit mir gegenüber gar nicht erklären. Das konnte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht. Inzwischen denke ich, Lothar hatte Schiss, ich könnte Dinge publik machen, die im Prozess nicht zur Sprache gekommen sind und die Lothar lieber ruhen lassen würde.»
Wie kalkuliert fuhr Bernd Leunen sofort darauf ab: «Welche Dinge?»
Dina Brelach dagegen war augenblicklich nicht an der Vorgeschichte interessiert. Ehe Alex beginnen konnte, Lothars damaligen Einsatz zu schildern, wollte sie wissen: «Kann jemand bestätigen, dass Sie gestern Abend hier waren?»
Alex schüttelte den Kopf und erkundigte sich seinerseits: «Darf ich erfahren, warum ich ein Alibi brauche?»
«Sie haben Heike Jentsch am Dienstagnachmittag vor Zeugen angegriffen und ihr eine weitere Unterhaltung ohne Zeugen angedroht», erinnerte Dina Brelach ihn.
Er verdrehte gekonnt die Augen und stöhnte genervt: «Hat sie etwa deshalb die Kripo eingeschaltet? Die tickt doch nicht richtig. Ich hab sie weder bedroht noch angegriffen, um das mal klarzustellen. Ich wollte nur von ihr wissen, warum sie mal Hü und mal Hott sagt und warum Saskia darunter leiden soll, dass ihre Eltern nicht mehr miteinander können. Die Kleine ist gerne bei mir, hat sich riesig gefreut, als Heike es erlaubte. Und plötzlich wurde es wieder verboten. Wie soll ein siebenjähriges Mädchen das verstehen? Heike hat sich nie selbst um Saskia gekümmert. Zuerst war ich fürs Kind zuständig. Als ich nicht mehr zur Verfügung stand, hat sie die Kleine zu ihrer Familie abgeschoben, damit sie arbeiten konnte.»
Mit der letzten Bemerkung geriet er bei Dina Brelach an die Falsche. Sie hatte selbst einen Sohn, der bei seiner Großmutter aufwuchs, damit sie sich ihrem Beruf widmen und Karriere machen konnte. Aus dem Grund wäre die junge Hauptkommissarin die Letzte gewesen, die einer Frau zum Vorwurf gemacht hätte, ihr Kind nicht selbst aufzuziehen. Dass der Kindsvater sich kümmerte, hatte Dina Brelach noch nie erlebt.
«Das Hü und Hott wird Heike Jentsch Ihnen nicht mehr erklären können», erwiderte sie merklich kühler. «Sie hat uns nicht eingeschaltet, das hat
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