Die Schuldlosen (German Edition)
Aber jetzt ist die Wohnung versiegelt. Die sagten, vorerst darf keiner rein.»
«Es tut mir unendlich leid, Frau Jentsch», sagte Lothar.
«Da können Sie doch nichts dafür», meinte Gerhild. Sie bezog sein Bedauern auf die versiegelte Wohnung und den Schlüssel zum Blockhaus. «Ich hätte heute Morgen dran denken sollen, als der Polizist den Rucksack fand. Aber da hatte ich so viel im Kopf.»
«Das ist verständlich», erwiderte Lothar. «Richten Sie Ihren Schwiegereltern und Ihrem Mann mein tiefstes Mitgefühl aus.»
«Ja», sagte Gerhild. «Danke.»
Lothar verabschiedete sich, ging zum Parkplatz und fuhr zur Wache. Dort hielt sich außer der üblichen Besetzung nur noch ein Mann vom Erkennungsdienst auf.
Dina Brelach und ihr gestresster Kollege waren bereits zurück nach Köln gefahren. Der Kollege musste seine beiden Kinder aus dem Hort abholen, weil seine Frau das heute nicht schaffte, sie saß zu unterschiedlichen Zeiten bei Hertie an der Kasse. Dina Brelach wollte mit dem Staatsanwalt reden. Es mussten Aufträge erteilt, Anträge gestellt und richterliche Beschlüsse angefordert werden, um zum Beispiel Heike Jentschs Handyprovider zur Herausgabe von Daten zu bewegen. Die Anruflisten im Handy waren gelöscht worden. Und Dina Brelach ging davon aus, dass Liebhaber und Freunde in diesen Listen auftauchten und man so dem ominösen Handwerker schnell auf die Spur käme. Was in Grevingen noch zu erledigen war, hatte sie Bernd Leunen übertragen. Es ging ja nur noch darum, eine Aussage aufzunehmen, die man bereits kannte.
Bernd Leunen nahm Lothar in Empfang und führte ihn in eines der hinteren Büros, wo der Erkennungsdienstler wartete. Bernd Leunen erklärte, warum man Lothars Fingerabdrücke und nach Möglichkeit auch eine Speichelprobe von ihm brauche. Letztere wäre nicht unbedingt nötig gewesen, Dina Brelach hatte jedenfalls keinen diesbezüglichen Auftrag erteilt. Aber Bernd Leunen wollte seine Sache nicht nur gut, sondern auch gründlich machen. Und Lothar erhob keine Einwände gegen einen Wangenabstrich. Immerhin hatte sogar Gerhild ihre Finger hinhalten und Sachen abliefern müssen. Abgesehen davon war Lothar überzeugt, seine DNA überall in Heikes Wohnung verteilt zu haben, nachdem er sie am Dienstag sicherheitshalber nach Hause begleitet hatte.
Im Wohnzimmer hatte er einen Kaffee und ein Wasser getrunken. Kaffeebecher und Glas hatte er in die Küche gebracht, während Heike an der Holzplatte in der Diele die tägliche Abrechnung machte. Er war auch mal raus auf den mineralwasserkastenbreiten Balkon getreten und hatte übers Gelände in die Tiefe gespäht, um festzustellen, ob der Mercedes noch irgendwo da unten stand. Konnte man vom Küchenbalkon aber nicht sehen. Deshalb hatte er es auch vom Schlafzimmerfenster aus probiert. Im Bad das Klo benutzt, sich die Hände gewaschen und so weiter.
Während Lothar aufzählte, tat der Mann vom Erkennungsdienst seine Arbeit, packte anschließend zusammen und verabschiedete sich. Bernd Leunen setzte sich an den Schreibtisch und hielt fest, was Lothar vorbrachte. Der entwendete Autoschlüssel und die unbefugte Nutzung des Passats, die Lothar noch einmal anführte, waren allerdings nicht von Belang. Auch wenn Lothar meinte, wer einen Schlüssel stehle, mache vor dem Zweiten nicht halt.
«Uns interessiert vorerst nur der Dienstag», sagte Bernd Leunen. «Wir brauchen die Namen der Leute, die außer dir dabei waren, als Alex Heike angegriffen hat.»
Was er bei Alex anfangs vermieden hatte, setzte er bei Lothar ganz ungezwungen ein: das «Du» aus früheren Zeiten. Er fand, es lockerte die Atmosphäre, baute eventuell vorhandene Hemmungen ab und förderte vielleicht Dinge zutage, die Lothar beim förmlichen Sie eines Uniformträgers nicht so ohne weiteres über die Lippen gekommen wären. Bernd Leunen hätte zu gerne gewusst, was damals bei Gericht nicht zur Sprache gekommen war. Und er hoffte, das Thema anschneiden zu können, wenn sie mit dem aktuellen durch waren.
Von den anderen Zeugen waren Lothar nur zwei namentlich bekannt, die restlichen kannte er bloß vom Sehen.
«Was hat Alex nach seinem Auftritt beim Kaffeebüdchen getan?», fragte Bernd Leunen.
«Er ist uns gefolgt», sagte Lothar. «Von der S-Bahn zum Discounter und weiter zur Ludwig-Uhland-Straße. Der Mercedes war die ganze Zeit hinter uns. Deshalb habe ich Heike ja hinauf in ihre Wohnung begleitet. Sie hatte panische Angst. Er hat noch geraume Zeit unten vor dem Haus gestanden und
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