Die Schuldlosen (German Edition)
letzten Augustwoche so oft mit Heike telefoniert hatte. Nicht an den Wochenenden wohlgemerkt, bis Ende September nur von montags bis freitags, regelmäßig zwischen vier und fünf Uhr nachmittags.
«Waren Sie da auf dem Heimweg und wollten nur mal hören, ob noch Apfeltaschen vorrätig sind für eine gemütliche Kaffeestunde mit Ihrer Frau?» Dina Brelach verstand etwas von sarkastischen Untertönen.
Lothar ignorierte es. «Bis Ende September habe ich jeden Tag länger gearbeitet und mein Zeitkonto gefüllt. Meine Frau ist zum zweiten Mal schwanger.» Sein Blick ging zu Silvie, ein zärtliches Lächeln kräuselte kurz seine Lippen, ehe er weitersprach: «Unser Sohn war eine Frühgeburt und musste mit einem Notkaiserschnitt geholt werden. Diesmal ist es wieder eine Risikoschwangerschaft. Ich dachte, wenn es Probleme gibt, habe ich etwas Luft. Das hat sich auch schon ein paarmal ausgezahlt.»
Dina Brelachs Frage war damit nicht beantwortet. «Ach so», sagte sie. «Und worüber haben Sie denn nun bis Ende September so oft mit Frau Jentsch gesprochen? Vielleicht über deren Schwangerschaft?»
«Heike war schwanger?» Lothar klang ehrlich verblüfft. «Von wem?»
«Das wüssten wir auch gerne», sagte Dina Brelach und fragte nach dem Inhalt von vier weiteren Gesprächen in den ersten Oktobertagen.
«Da lag ich im Krankenhaus», meldete Silvie sich zu Wort, ehe Lothar behaupten konnte, sich auch daran nicht mehr zu erinnern. «Mich hast du hängenlassen, und mit Heike hast du telefoniert? Was hast du ihr erzählt?»
«Dass Alex wieder draußen ist», sagte er. «Was denn sonst?»
«Viermal hintereinander?», fragte Silvie. «Musstest du sie jeden Tag daran erinnern? Konnte sie sich das nicht merken? Und vorher?» Ihre Stimme klang unvermittelt so, als werde sie beim nächsten Wort in Tränen ausbrechen. «Lüg mich nicht an, du Scheißkerl. Worüber hast du vorher mit Heike gesprochen? Hast du ihr gesagt, dass ich dich nicht ranlassen darf, und sie daran erinnert, dass sie dir noch fehlt in deiner Sammlung? Sie soll eine heiße Nummer gewesen sein, hat Alex mir erzählt. War sie deshalb so komisch, als ich ein gutes Wort für ihn einlegen wollte? Hat sie gedacht, du hättest mir gebeichtet, und ich komme, um ihr den Kopf abzureißen?»
«Jetzt red dir doch keinen Unsinn ein, Schatz», bat Lothar energisch. «Was soll das denn? Ich habe … mein Gott. Heike hat mich ein paarmal morgens gebeten, sie nachmittags anzurufen. Sie hatte finanzielle Probleme und dachte, ich könnte ihr einen Rat geben.»
«Ach, plötzlich erinnern Sie sich wieder», stellte Dina Brelach fest und wollte von Silvie wissen: «Wo waren Sie eigentlich am letzten Mittwoch zwischen neun Uhr abends und Mitternacht?»
«Im Krankenhaus», murmelte Silvie. «Ich dachte, ich hätte vorzeitige Wehen, aber es war nur ein Magen-Darm-Infekt.»
«Ach so», sagte Dina Brelach wieder und fand wohl, sie hätte fürs Erste genug Unfrieden gestiftet. Sie wandte sich nur noch einmal an Lothar: «Das Beste wird sein, wenn Sie morgen früh ins Präsidium kommen, pünktlich um neun, bitte. Ich hoffe, Ihr Zeitkonto gibt das her.»
29.–31. Oktober 2010
Lothar erschien pünktlich und trat sehr selbstsicher auf. Zu Beginn des Verhörs – ein solches war es – leugnete er vehement, eine Affäre mit Heike gehabt zu haben. Nun, wo Silvie nicht in der Nähe war, hatte er auf jede Frage eine Antwort und erklärte seine gestrigen Ausflüchte mit der Antipathie seiner Frau gegen Heike Jentsch. Er dachte wohl, man könne nicht mehr beweisen, wer Heike geschwängert hatte.
Als Dina Brelach merkte, dass sie so nicht weiterkamen, hielt sie ihm einen Vortrag über die Möglichkeiten moderner Medizin. Es gab inzwischen einen Test, mit dem Zellen des Ungeborenen auch nach einem Abort noch im Körper der Mutter nachgewiesen werden konnten. Und in den Zellen vom Kind befand sich selbstredend auch DNA vom Vater. Man brauchte natürlich eine entsprechende Probe zum Vergleich, aber die hatte Lothar ja großzügigerweise bereits abgegeben.
Es war eine sehr aufwendige und damit teure Untersuchung. Fraglich, ob die Staatsanwaltschaft den Auftrag dazu erteilt hätte. Aber für einen Bluff reichte es. Lothar knickte ein und beteuerte erst einmal, dass Heike wegen dieser ungewollten Schwangerschaft absolut keinen Druck auf ihn ausgeübt habe. Sie hätte ihm lediglich gesagt, dass es eine Panne gegeben habe und sie übers Wochenende nach Holland fahren werde, um das Problem
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