Die Schuldlosen (German Edition)
Feuchtbiotops passierte er einen alten mattschwarzen Mercedes auf der Gegenfahrbahn, erkannte Alex am Steuer und eine Person auf dem Beifahrersitz. Aber im Vorbeifahren hätte er nicht sagen können, ob es eine Frau oder ein Mann war. Ein Kind war es jedenfalls nicht, was ihn beruhigte.
Wenn Alex jetzt die Füße still hielt und bezüglich seiner Tochter keine Dummheiten machte, sah es gut aus für ihn. So gut, dass er über kurz oder lang mit Familie Jentsch über ein Umgangsrecht verhandeln könnte. Hatte HK Brelach also recht gehabt mit ihrer Ansicht zum durchbohrten Herz aus geköpften Rosen. Für eine ungewollte Schwangerschaft, die vor vierzehn Tagen abgebrochen worden war, konnte Alex nicht verantwortlich sein. Und sowohl Schwangerschaft als auch Abtreibung waren erstklassige Tatmotive für einen Liebhaber, fand Bernd Leunen.
Kurz vor dem Ortseingang war der schwarze Mercedes plötzlich hinter ihm und gab mit Lichthupe und Blinker zu verstehen, er solle rechts ranfahren. Im Innenspiegel erkannte Bernd Leunen nun auch die Person auf dem Beifahrersitz. Sieh einer an, dachte er. Davon wird Lothar sicher nicht begeistert sein.
Er tat ihnen den Gefallen und steuerte auf den Grünstreifen zwischen Fahrbahn und Radweg. Der Mercedes hielt dicht hinter ihm. Auf der Beifahrerseite stieg Silvie Steffens aus. Und kaum hatte sie die Autotür zugeschlagen, setzte Alex den Blinker und fädelte sich wieder in den Verkehr ein.
Silvie trat an Bernd Leunens Wagen, öffnete die Beifahrertür, stieg ein und erklärte dabei: «Wir waren auf dem Weg zur Wache, aber so ist es besser, glaube ich. Wenn Sie mich gleich bei meinen Großeltern absetzen, muss ich weniger erklären und bekomme wahrscheinlich nicht so viel Ärger mit meinem Mann.»
«Kein Problem», erwiderte Bernd Leunen. «Und was wollten Sie auf der Wache?»
«Einen harmlosen Mann anschwärzen, der vielleicht nicht mehr getan hat, als bei Heike einen Kaffee zu trinken», sagte Silvie, gab dem biederen Handwerker einen Namen und behauptete, Helmut Maritz hätte ihr von seinem großen Haus mit Whirlpool erzählt und von ihr wissen wollen, ob ihre Oma Heikes Tante sei.
«Es wäre mir lieb», schloss Silvie, «wenn Sie ihm nicht verraten, wer ihm die Polizei auf den Hals gehetzt hat. Sagen Sie einfach, es wäre ein anonymer Hinweis gewesen. Sonst haben wir beim nächsten Sturmschaden vielleicht ein echtes Problem.»
«Versprechen kann ich nichts», erwiderte der Polizist. «Wenn Herr Maritz wirklich nur Kaffee bei Heike getrunken hat, wird ihn kaum interessieren, wie wir auf ihn gekommen sind. Anderenfalls muss ich zumindest den Kölner Kollegen meine Quelle nennen. Mit den anonymen Hinweisen ist das heutzutage nämlich so eine Sache, man kann fast alles zurückverfolgen. Aber ich werde versuchen, Sie rauszuhalten. Dafür darf ich im Gegenzug jetzt aber noch etwas fragen, was gar nichts mit dieser Sache zu tun hat, einverstanden?»
Sie standen immer noch auf dem Seitenstreifen. Statt zuzustimmen oder abzulehnen, musterte Silvie ihn nur abwartend. Also brachte er sein Anliegen vor, wiederholte, was Alex über den nicht gerade herzlichen Empfang durch seinen ehemals besten Freund und dessen mutmaßliche Beweggründe von sich gegeben hatte.
Dabei wurde ihm klar, dass Alex mit der Andeutung, Lothar habe nach Janice Hecklers Tod etwas vertuscht, auch nur versucht haben könnte, sich vor Dina Brelach aufzuspielen und von seinem fehlenden Alibi für den Mittwochabend abzulenken. Doch danach sah Silvies Reaktion nicht aus.
Während er sprach, hielt sie den Kopf gesenkt, ihre Finger nestelten an ihrem Sweatshirt. Als er zum Ende kam, sagte sie, ohne aufzuschauen: «Als Lothar so ausrastete, dachte ich zuerst, er wäre nur eifersüchtig und wütend, weil ich Alex ins Haus gelassen hatte. Aber Alex war doch unser Freund, verdammt, er war immer unser Freund. Ich hatte keine Ahnung, was damals wirklich passiert war.»
«Was denn?», fragte Bernd Leunen, als sie nicht weitersprach. Er ließ keinen Blick von ihr.
Endlich hob sie den Kopf, schaute ihm nachdenklich ins Gesicht und wollte wissen: «Da es nichts mit Heikes Tod zu tun hat, muss es auch nicht zur Sprache kommen, oder? Ich meine, Sie müssen das nicht der Kölner Kripo erzählen. Der Fall Heckler ist abgeschlossen, Alex wurde rechtskräftig verurteilt, und damit hat es sich, oder?»
Sie wirkte so unsicher, so kannte er sie gar nicht. Obwohl – sonderlich gut hatte er sie noch nie gekannt. Sie war halt ein Mädchen
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