Die Schuldlosen (German Edition)
seiner Kiste lag und eingeschlafen war, kam man hinter den geschlossenen Rollläden wahrscheinlich zum gemütlichen Teil des Abends.
Wenn die Gynäkologin den Geschlechtsverkehr mit dem überaus potenten Ehemann für zu riskant hielt, war ein guter Freund, der bei der Generalstochter keinen hochbekam, doch eine super Alternative. Ein bisschen Knutschen, ein bisschen Petting, davon verstand Alex etwas. Lothar hatte es vor Jahren oft genug miterlebt, und jetzt fraß ihn die Erinnerung daran auf. Zum Glück blieb Alex nicht über Nacht, das hätte er nicht ausgehalten.
Meist ging so gegen zehn Uhr die Haustür auf. Eine innige Abschiedszeremonie ersparten sie ihm. Alex trat ins Freie, dann wurde die Tür wieder geschlossen. Zweimal war Alex zu Fuß, und Lothar geriet in Versuchung, die Breitegasse über die Lambertusstraße anzusteuern und ihn auf dem Stück zwischen dem Heckler-Haus und der Villa Schopf einfach über den Haufen zu fahren. Da hätte Alex die ganze Nacht liegen und langsam krepieren können, wenn er nicht sofort tot gewesen wäre. Aber ihm war klar, dass so eine Aktion seine Probleme nicht löste.
Dreimal spielte er mit dem Gedanken, Silvie an die Tür zu klingeln, nachdem der alte Mercedes in die Pützerstraße abgebogen war. Aber er wusste immer noch nicht, wie er sich entschuldigen sollte. Also fuhr er zu seiner Mutter, die jeden Abend mit bangen Fragen über ihn herfiel: «Wo warst du denn so lange? Hast du dich mit Silvie ausgesprochen?»
Währenddessen kämpfte Dina Brelach gegen die Tücken eines rechtsstaatlichen Justizwesens. Der zuständige Staatsanwalt war nicht bereit, den Untersuchungsrichter um weitere Durchsuchungsbeschlüsse anzugehen, solange keine hieb- und stichfesten Beweise gegen einen Verdächtigen vorlagen.
Dinas Problem war, sie konnte nicht mit einem Verdächtigen aufwarten, sie hatte immer noch zwei. Der Dachdecker war aus dem Rennen. Ein gutmütiger Mensch. Natürlich konnte auch so einer mal ausrasten, aber bisher hatte noch niemand erlebt, dass Helmut Maritz irgendwo die Geduld oder die Nerven verloren hatte. Der Mann hatte einen erstklassigen Leumund.
Was man von Alex nicht behaupten konnte. Und der war auch nicht mehr zu Hause anzutreffen. Bernd Leunen riet, es mal bei Silvie Steffens zu versuchen. Da öffnete Alex ihnen die Tür. Allerdings weigerte er sich, sie zur Villa zu begleiten. Dass Polizisten sich ohne richterlichen Beschluss in seinem Haus oder auf seinem Anwesen umschauten, kam überhaupt nicht in Frage, da mochte Dina Brelach noch so sehr betonen, ein Unschuldiger habe doch nichts zu verbergen.
«In welcher Welt leben Sie, junge Dame?», fragte Alex. «Noch nie davon gehört, dass einem Beweise auch untergeschoben werden können? Jeder, der Heike näher kannte, weiß, wo ich wohne, darauf halte ich jede Wette. Vielleicht sollte ich mein Grundstück selber mal unter die Lupe nehmen. Aber rechnen Sie lieber nicht damit, dass ich mich bei Ihnen melde, wenn ich die Tatwaffe finde. Falls Sie sonst noch Fragen haben, stellen Sie die bitte in Anwesenheit meiner Anwältin.»
Lothars Frau zeigte sich kooperativer. Obwohl Alex dabeistand, gestattete sie Dina Brelach und Bernd Leunen, sich in der Garage und im Keller umzuschauen. Im Keller entdeckten sie ein bisschen Werkzeug in einem ausrangierten Küchenschrank: Rohrzange, Backenzange, Spannungsprüfer und einen kleinen Hammer.
«Die Sachen gehörten meinem Schwiegervater», erklärte Silvie, während sie selbst zu suchen begann. «Es müsste aber auch ein größerer Hammer da sein.» Der war jedoch nicht zu finden.
Und da Silvie zur fraglichen Zeit mit einer Magen-Darm-Infektion im Krankenhaus gelegen hatte, konnte sie nicht sagen, ob ihr Mann den späten Abend des 20. Oktobers daheim verbracht hatte oder ob Lothar irgendwann in blutbespritzter Kleidung heimgekommen war. Obwohl sie seinen Kram gepackt hatte, wusste sie auch nicht, ob seine Sachen vollzählig gewesen waren.
«Darauf habe ich wirklich nicht geachtet», sagte sie. «Ich habe nur eingepackt, was im Schrank war.»
Dass im Hause Steffens ein Hammer fehlte, veranlasste Dina Brelach, Lothar noch zweimal ins Kölner Präsidium zu bestellen, wo sie ihn zusammen mit einem Verhörspezialisten in die Mangel nahm. Das wiederum zwang Lothar, sich ebenfalls um anwaltlichen Beistand zu bemühen.
Von da an konnte Dina Brelach sich weitere Befragungen sparen und ihre Hoffnung, Heike Jentschs Mörder zu überführen, eigentlich begraben. Dem Staatsanwalt
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