Die Schuldlosen (German Edition)
es dir aber gerne mit meinen Worten sagen. Ich möchte dir auch noch etwas sagen, was dein Opa dir nicht erzählen konnte, weil er nichts davon weiß. Darf ich reinkommen?»
Einen Moment lang sah es so aus, als wolle sie den Kopf schütteln. Dann zuckte sie mit den Achseln und trat zurück. Als er die Haustür hinter sich schloss, war sie schon in der Küche, wollte offenbar nicht das Risiko eingehen, dass er sich im Wohnzimmer neben sie auf die Couch oder eine Sessellehne setzte.
«Es stört dich hoffentlich nicht, wenn wir hier reden», sagte sie. «Warum hast du nicht angerufen? Warum kommst du so spät?»
«Ich warte schon eine Weile», sagte er. «Du hattest Besuch. Da wollte ich nicht stören. Ist Alex jeden Abend hier?»
«Nicht nur jeden Abend», sagte sie.
Alex kam morgens, nachdem er Saskia zur Schule begleitet hatte. Das tat er immer noch regelmäßig, weil er fand, dass seine Tochter ihn jetzt besonders brauchte. Von ihrer Tante hörte sie dreimal am Tag, Papa käme sicher bald ins Gefängnis. Und er erklärte dem Kind jeden Morgen, dass Tante Gerhild sich auf dem Holzweg befand und so etwas nur sagte, weil sie traurig war.
Ebenso regelmäßig stand er anschließend bereit, um Silvie aufzufangen und zu stützen, um ihr im Haushalt zu helfen und den Hasemann zu beschäftigen, weil sie sich dazu die halbe Zeit außerstande fühlte. So cool, wie sie sich Lothar gegenüber gab, war sie bei weitem nicht. In ihrem Innern waren verletzte Gefühle und Ratlosigkeit zu einem ätzenden Brei zusammengekocht.
Wie sollte es denn jetzt weitergehen?
Oma sagte: «Kind, überleg dir gut, was du tust. Wenn du dich scheiden lassen willst, helfe ich dir, so gut ich kann. Aber ich bin nicht mehr fünfzig. Ich könnte dir nicht zwei kleine Kinder abnehmen, damit du arbeiten kannst.»
Opa sagte: «Wenn es Lothar wirklich leidtut, dass er was mit Heike angefangen hat, solltest du ihm noch eine Chance geben, schon um der Kinder willen, die brauchen einen Vater.»
Sicher. Und wenn es nur die Affäre gewesen wäre, hätte sie es vielleicht irgendwann geschafft, ihm zu verzeihen. Bei Alex war ihr das damals schließlich auch gelungen. Aber jetzt ging es nicht nur um Betrug und Lügen.
Alex hatte mit dem Dachdecker gesprochen und erfahren, dass die Polizei speziell an Hämmern interessiert gewesen war. Und ihr fehlte einer, der große. Silvie war vollkommen sicher, hatte mit dem großen Hammer doch eigenhändig den Haken für den Bilderrahmen mit Davids Puzzle in die Wohnzimmerwand geschlagen.
«Ich finde es nicht gut, dass du jeden Tag mit Alex zusammen bist», begann Lothar – zurückhaltend und diszipliniert, wie er fand.
«Was du gut findest, interessiert mich herzlich wenig», erwiderte sie. «Mich interessiert viel mehr, wo der große Hammer geblieben ist. Hast du Heike damit erschlagen?»
Er starrte sie fassungslos an, fühlte sich wie ein Segelschiff auf hoher See, wenn die Flaute begann. «Was redest du da?»
«Das weißt du genau», sagte sie. «Helmut Maritz war es nicht. Alex schwört Stein und Bein, dass er es auch nicht war. Bleibst nur du. Und der große Hammer ist nicht mehr da. Warum hast du den weggeworfen?»
Dumme Frage. Er hatte auch Heikes blutbesudelten Schlafanzug, ein Handtuch, zwei Putzlappen, das Schwämmchen, mit dem er die Wand über der Holzplatte gereinigt hatte, und seine eigenen Sachen wegwerfen müssen. Beweise hob man doch nicht auf, damit die Polizei sie finden konnte. Silvie konnte nicht ernsthaft mit einer Antwort rechnen.
«Du glaubst Alex mehr als mir?», fragte er stattdessen.
«Ja», sagte sie schlicht.
«Du liebst ihn immer noch», stellte Lothar verbittert fest.
Sie wusste nicht, ob sie Alex immer noch liebte. Nicht in der Weise, auf die Lothar anspielte, sie war schließlich keine siebzehn mehr. Momentan liebte sie Alex auf rein freundschaftlicher Ebene und war ihm grenzenlos dankbar, dass er ihr nicht mehr abverlangte.
Als sie mit den Achseln zuckte, wollte Lothar wissen: «Und wie soll es jetzt weitergehen mit uns?»
«Ich weiß es nicht», sagte sie. «Wie hast du es dir denn vorgestellt? Dass ich sage, Schwamm drüber. Hoffen wir, dass die Polizei bald aufgibt, weil sie dir nichts beweisen können. Tut mir leid, Lothar, so kann ich nicht leben. Ich hätte jeden Tag Angst.»
«Vor der Polizei oder vor mir?», fragte er.
«Ich weiß es nicht», sagte sie noch einmal.
«Ich hab es nur für dich getan», beteuerte er.
Für ein paar Sekunden verschlug ihr das die
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