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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht im Weg stehen», sagte sie. «Wenn du damit nicht einverstanden bist, stellen wir alles in die Garage. Du kannst dich ja melden, wenn du es abholen willst. Es sind fast nur noch Sommersachen, die brauchst du ja nicht so dringend. Deine Spiegelreflex, CDs und DVDs habe ich auch eingepackt. Den Camcorder möchte ich behalten.»
    Was interessierte ihn der Camcorder. «Ist Alex bei dir?»
    «Soll er dir die Sachen bringen, ja oder nein?», fragte sie.
    «Nein», sagte Lothar und beendete das Gespräch.
    «Was hat sie gesagt?», wollte seine Mutter wissen, die ihm mit ängstlich gespannter Miene ins Wohnzimmer gefolgt war.
    Er zuckte mit den Achseln. «Sie ist fertig mit Packen. Ich soll meinen Kram abholen.»
    «Jetzt gleich?», fragte seine Mutter.
    «Das wäre ihr wohl am liebsten», sagte Lothar. «Aber so eilig habe ich es nicht.»
    «Soll ich dir erst was zu essen machen?», fragte seine Mutter. «Ich hab Erbsensuppe mit Speck und Würstchen, die brauche ich nur aufwärmen.»
    «Später vielleicht», sagte er. «Jetzt hab ich noch keinen Hunger.»
    Dann ging er zurück nach oben, setzte die Kopfhörer wieder auf, legte sich erneut aufs Bett und sang mit Campino um die Wette: «Es ist die Eifersucht, die mich auffrisst, immer dann, wenn du nicht in meiner Nähe bist …»
    Als seine Mutter es nicht mehr aushielt, ging sie nach nebenan zu Franziska und Gottfried. Leicht fiel ihr das wahrhaftig nicht, es war wie ein Gang nach Canossa, obwohl sie nun wirklich nichts dafür konnte.
    Silvies Großeltern wussten natürlich schon, dass Lothar etwas getan hatte, was Silvie ihm nie im Leben verzeihen wollte. Franziska sagte: «Das hätte ich nie von ihm gedacht», und wollte sich weiter nicht dazu äußern, auch nicht spekulieren, wie ernst es Silvie mit einer Trennung war.
    Gottfried meinte etwas pragmatischer und zuversichtlicher: «Silvie kriegt sich schon wieder ein. Das geht nur nicht von heute auf morgen. Lothar soll sie mal eine Weile in Ruhe lassen.»
    «Was verstehst du unter einer Weile?», fragte Lothars Mutter. «Ohne Silvie hält der Junge es doch keine Woche aus.»
    «Das hätte er sich mal vorher überlegen sollen», sagte Gottfried daraufhin.
    «Er hat doch nicht damit gerechnet, dass es rauskommt», hielt Frau Steffens dagegen. Eine brillante Verteidigung war das kaum, auch nicht als Entschuldigung geeignet.
    «Komisch», konterte Gottfried. «Früher konnte Lothar aber gut rechnen. Und er hatte eine Engelsgeduld, als Silvie mit Alex zusammen war. Da wird er sich jetzt wohl noch mal eine Weile zusammenreißen können.»
    «Ich hab Angst, dass er Dummheiten macht», sagte Lothars Mutter. Sie war den Tränen nahe. «Ich hab doch bloß noch ihn. Wenn er sich was antut …»
    «Ach was», beschwichtigte Gottfried. «Er wird sich schon nichts antun. Ich komm gleich mal rüber und red mit ihm.»
    Frau Steffens fühlte sich ein klein wenig leichter, als sie wieder hinüberging. Gottfried kam kurz darauf tatsächlich, saß fast eine Stunde lang bei Lothar und unterhielt sich mit ihm. Durch die geschlossene Tür war nicht jedes Wort zu verstehen, aber es ging im Wesentlichen darum, dass Silvie eine Entschuldigung verdient hatte und höchstwahrscheinlich eine Erklärung erwartete. Und dass diese Erklärung wohlüberlegt sein sollte, damit nicht noch mehr Schaden entstand. Also nicht einfach: Tut mir leid, es ist halt passiert. Und ganz bestimmt nicht: Du hättest eben nicht so rigoros nein sagen dürfen.
November
    In der ersten Novemberwoche legte Lothar sich ein halbes Dutzend Erklärungen zurecht und verwarf sie wieder. Jeden Abend bezog er Posten im Margarineviertel, stellte seinen Kombi gute dreißig Meter entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinter einem Van ab und stieg aus. Auch wenn es in Strömen regnete und Silvie bei Einbruch der Dunkelheit die Rollläden herunterließ, sodass überhaupt nichts zu beobachten war, musste er näher heran an das Haus, dessen Innenausbau seinen Vater das Leben gekostet hatte.
    Sein Vater war ein begnadeter Heimwerker gewesen, hatte all das gekonnt, wovon er selbst keine Ahnung hatte. Bisher hatte er ihn oft noch so vor sich gesehen: auf Knien rutschend Laminat verlegen, auf einer Leiter stehend Deckenpaneele anbringen oder im Bad die Fliesen an die Wände klebend.
    Jetzt liefen hinter seiner Stirn andere, quälend zerstörerische Bilder vorbei. Alex war jeden Abend bei Silvie. Meist stand der alte Mercedes direkt vor dem Haus. Und wenn der Hasemann in

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