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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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dass Alex im Wohnzimmer mit David gespielt hatte, während er draußen vor dem Küchenfenster stehen musste wie ein Bettler, sagte er: «Ich glaube nicht, dass Alex der Grund ist, Mama. Er hat Silvie vielleicht bestärkt, aber mehr wahrscheinlich nicht. Ich habe Mist gebaut, Mama, riesengroßen Mist. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie leid mir das tut. Bist du so lieb und machst mir was zu essen? Dann erzähle ich dir alles der Reihe nach. Nur zwei Eier auf Brot, ich hab den ganzen Tag noch nichts Richtiges gegessen.»
    Während sie sich für ihn an den Herd stellte, schilderte er, wie es zu seinen Fehltritten gekommen war. Er wollte sich nicht von jeder Schuld freisprechen, es gehörten doch immer zwei zu einer Affäre – in seinem Fall sogar drei: Silvie, die ihn auf Anraten ihrer Ärztin auf Monate hinaus zu einem Dasein als Mönch verdonnert hatte. Heike, die keinem Rechenschaft schuldete und mitnahm, was sie kriegen konnte, der plötzlich auffiel, wie ähnlich er Alex sah. Und er, sozusagen das schwächste Glied in dieser Kette. Es hieß nicht umsonst, dass sich beim Mann der Verstand ausklinkte, wenn der Unterleib die Regie übernahm.
    «Ich hab halt eine starke Libido, da kann ich doch nichts dafür.»
    Dem stimmte seine Mutter nicht zu. Er war doch ein zivilisierter Mensch, jedenfalls hatte sie ihn zu einem erzogen. Da sollte er seinen Trieb eigentlich unter Kontrolle haben. Dass dem offenbar nicht so war, schrieb sie seiner früheren Freundschaft mit Alex zu. Der hatte ihn doch auf den Geschmack gebracht und ihm auch noch suggeriert, dass jede zu haben war.
    Damit hatte sie zwar in altbewährter Manier die Schuld auf Alex abgewälzt. Trotzdem musste Lothar noch ein Donnerwetter über sich ergehen lassen, das sich gewaschen hatte. Es fehlte nicht viel, dann hätte sie ihm die gebratenen Eier vor die Füße gekippt und nicht auf den Teller mit Brot.
    Sie brach ihre Tirade erst ab, als er hinaufging, um das Bett in seinem früheren Zimmer zu beziehen. Als er wieder nach unten kam, hatte sie sich beruhigt, saß vor dem Fernseher und meinte, dass eine vernünftige Frau eine an und für sich gut funktionierende Ehe nicht leichtfertig wegen ein paar schwacher Momente beende, bestimmt nicht, wenn Kinder da waren. Die Weisheit hatte sie aus einer Illustrierten. Nun hoffte sie, dass Silvie bald zur Vernunft käme. Das hoffte Lothar auch, aber danach sah es nicht aus.

    Am Samstag rief Silvie kurz nach zwei an. Bis dahin hatte Lothar mit unter dem Nacken verschränkten Armen auf seinem Jugendbett gelegen und mit Kopfhörern Musik gehört wie in vergangenen Zeiten. Ein Album der Toten Hosen, die hatten es ihm auch früher schon angetan, vor allem der Song «Alles aus Liebe».
    Seiner Mutter war oft ganz komisch geworden, wenn er dann auch noch mitsang: «Komm, ich zeig dir, wie groß meine Liebe ist, und bringe mich für dich um.»
    Jetzt wurde ihr nicht komisch, sondern angst und bange. Er hatte nicht zum Frühstück runterkommen wollen, auch mittags noch keinen Hunger gehabt. Aber da hatte er noch auf ihr Klopfen reagiert. Jetzt hörte er nichts mehr, auch sein Handy nicht. Deshalb rief Silvie auf dem Festnetz an.
    Frau Steffens musste rauf, klopfte zweimal, öffnete die Tür, steckte den Kopf ins Zimmer, sah ihn da liegen mit geschlossenen Augen und hörte gerade noch, wie er die letzte Liedzeile vor sich hin brummte: «… und bringe uns beide um.»
    «Lothar!», bat sie dreimal in zunehmender Lautstärke, «kommst du mal ans Telefon. Silvie ist dran.»
    Er reagierte erst, als sie zum Bett ging und ihm den Kopfhörer herunterzog. Danach wäre es nicht mehr nötig gewesen, ihn anzuschreien. Sie tat es trotzdem, um die eigene Angst niederzubrüllen: «Silvie ist am Telefon!»
    Er zuckte zusammen und beschwerte sich: «Kannst du mir das nicht in normaler Lautstärke sagen?»
    «Das hast du ja nicht gehört», sagte sie. «Jetzt komm schon.»
    Er folgte ihr nach unten und brummte noch auf der Treppe: «Von Doktor Jekyll werd ich zu Mister Hyde, ich kann nichts dagegen tun, plötzlich ist es so weit. Ich bin kurz davor durchzudrehen …» Am Telefon meldete er sich dann aber ganz vernünftig und hörte mit versteinerter Miene zu.
    Der Hasemann machte gerade Mittagsschlaf, Silvie hatte die Zeit genutzt, um die restlichen Sachen zu packen. Aber es nieselte seit dem frühen Morgen, da wollte sie nichts in den Vorgarten stellen.
    «Alex könnte den Kram jetzt gleich zu deiner Mutter bringen, damit die Kartons hier

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