Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
wegen zu hoher Geschwindigkeit allenfalls eine Mitschuld getragen hatte. Das konnte man ihm doch nicht bis ans Lebensende ankreiden.
    Wäre der BMW ein paar Tage nach dem Kauf verunglückt und Alex dabei hopsgegangen, hätten vermutlich die meisten gesagt: «Das musste ja so kommen.» Vielleicht hätten ein paar wenige seine Mutter bedauert, weil sie nun auch noch ihr Ersatzkind begraben musste. Aber weiter hätte kein Hahn danach gekräht. So jedoch war Alex plötzlich ein Henker – wegen der scheußlichen Art, auf die Richard Parlow zu Tode gekommen war. Und keiner regte sich darüber auf, dass der gewiefte Gebrauchtwagenhändler einem Anfänger eine schick aufgemotzte Schrottmühle hatte andrehen wollen.
    Davon abgesehen: Opa hatte mal gesagt, es spiele gar keine Rolle, ob die Vorderachse am BMW verzogen und die Bremsleitungen defekt gewesen seien, Richard Parlow hätte Alex bremsen müssen. Man ließ einen geltungsbedürftigen Achtzehnjährigen nicht mit hundertzwanzig Sachen über die Landstraße brettern. Da sagte man: «Langsam, Junge, durchtreten kannst du ihn auf der Autobahn.»
    Und Janice Hecklers Tod in der Greve …
    Alex hatte vorher kräftig gebechert, wofür es drei Dutzend Zeugen gab, darunter Lothar und ein Polizist aus dem Dorf. Nachher hatte Alex immer wieder beteuert, nicht zu wissen, was passiert sei. Das hatten ihm nur nicht viele geglaubt. Silvie war vielleicht die einzige Ausnahme. In ihren Ohren hatte die Theorie, mit der seine Anwältin sich im Prozess lächerlich gemacht hatte, wie eine Offenbarung geklungen.
    Danach hätte eine andere Person Janice Heckler getötet und es nach einem Sexualdelikt aussehen lassen, damit man automatisch von einem Täter ausging und gar nicht erst begann, über eine Täterin nachzudenken, hatte Frau Doktor Brand erklärt.
    Alex hätte auf dem Weg zur Villa den halbnackten Körper im Wasser liegen sehen und herausziehen wollen, was ihm in seinem Zustand aber nicht gelungen sei. Er hätte womöglich Hilfe holen wollen, beim Heckler-Haus nur leider nichts erreicht, weil Janice’ Eltern nicht zu Hause waren und ihr älterer Bruder Dennis sich in einer Kölner Diskothek amüsierte.
    Und in der Villa Schopf: ein alter Mann mit den ersten Anzeichen von Demenz, eine Sterbende und eine erschöpfte Krankenpflegerin, die kaum Deutsch sprach – die hätten auch nicht reagiert. Daraufhin hätte Alex sein Vorhaben aufgegeben und die Sache vergessen. Schließlich war er stockbesoffen.
    Das klang plausibel, fand Silvie. Für sie war Alex nie schlecht oder von Grund auf böse gewesen, jedenfalls nicht vor seiner Verhaftung. Er war leichtsinnig, leichtfertig, leicht zu begeistern und leicht in Rage zu versetzen.
    Wie oft hatte Oma von seiner Kindheit erzählt und immer betont, im Grunde sei er kein übler Kerl, nur von den Umständen verdorben worden. Als Kind hätte er einen in tiefster Seele dauern können. Und als Jugendlicher hätte er wohl nur eine starke Hand gebraucht, um das Ruder noch herumzureißen, einen Mann im Haus, der endlich ein Machtwort sprach und Helene nicht unentwegt nach eigenem Gutdünken schalten und walten ließ.
    Man schenkte einem Jungen, der sich auf dem Gymnasium nur dank der ständigen Unterstützung seines Freundes von einem Jahr ins nächste hangelte, nicht das Geld für Führerschein und Auto zum achtzehnten Geburtstag.
    Ein herausragender Schüler war Alex wirklich nie gewesen. In der Grundschule hätte er gute Noten nur für sein Lächeln bekommen, hatte Lothar mal erzählt. Vom ersten Tag an hätte er die gutmütige Frau Sattler um den Finger gewickelt, vier Jahre lang. Die Grundschüler behielten ihre Lehrerinnen von der Einschulung bis zum Schulwechsel. Da sollte dann ein Nerzjäckchen die Besitzerin gewechselt haben, damit die Qualifikation fürs Gymnasium erreicht wurde. Mit einem schönen Gruß von Mami, der die Jacke zu weit geworden war. Es wäre doch eine Verschwendung sondergleichen gewesen, eine Pelzjacke im Schrank vergammeln zu lassen oder in die Altkleidersammlung zu stecken, wenn man einen Haudrauf damit auf die höhere Schule befördern konnte.
    Ob diese Geschichte den Tatsachen entsprach, wusste Silvie nicht. Gelegentlich schmückte auch ein vernünftiger Mann wie der ihre etwas aus. Aber sie hatte früher oft genug zugehört, wenn Lothar und Alex nebenan bei geöffnetem Fenster paukten, während sie ihrerseits Hausaufgaben machte oder vor sich hin träumte und frische Luft hereinließ.
    Wieder und wieder musste Lothar

Weitere Kostenlose Bücher