Die Schuldlosen (German Edition)
Opa.»
«Schlepp David nicht mit, Oma», bat Silvie.
Wenn Franziska sich um Gottfried kümmern musste, hätte sie David ins Bettchen setzen müssen, damit er nicht unbeaufsichtigt herumkrabbelte. Und wenn er hinter Gittern abgesetzt wurde, brüllte er die Nachbarschaft zusammen. Silvie kannte ihren Sohn und wusste, wie man ihn am besten beschäftigte, wenn man mal nicht in seiner Nähe sein, ihn aber auch nicht mitnehmen konnte oder wollte. Dann rief man einfach vom Handy ins Festnetz an.
«Gib ihm den Hörer, Oma. Er telefoniert gerne, er bleibt garantiert unten sitzen.»
«Aber er beißt bestimmt rein.»
«Er besabbert ihn bloß ein bisschen. Das wischst du nachher ab. Jetzt gib ihm das Ding und geh rauf. Bestell Opa einen lieben Gruß von mir und gute Besserung. Hörst du?»
Franziska hörte es nicht mehr, hatte den Hörer schon weitergereicht. Silvie hörte Gebrabbel und änderte ihren Tonfall: «Hallo, Hasemann, hier ist die Mama. Sag hallo. Sag hallo, Mama.» Und immer so weiter.
Es funktionierte die gesamten zehn Minuten, die Franziska brauchte, um ihren Mann aus dem Bad zurück ins Bett zu schleifen, einen Eimer aus dem Keller zu holen und ihm den neben das Bett zu stellen. Prinz Knatschsack legte erst los, als Franziska ihm das Telefon wieder wegnahm. Eine Unterhaltung in Ruhe war danach nicht mehr möglich.
«Ich ruf heute Nachmittag noch mal an», versprach Silvie. Daraus wurde allerdings nichts. Das Handy – seit Donnerstag ununterbrochen in Betrieb – hatte während des Gesprächs mit dem Hasemann schon zweimal mit Pieptönen zu verstehen gegeben, dass der Akku so gut wie leer war. Danach blökte es noch dreimal nach einer Stromquelle wie ein Lamm nach dem Mutterschaf, ehe es den Geist aufgab.
Als Saskia aus der Schule kam, wusste in der Bäckerei Jentsch noch keiner, dass die Villa Schopf wieder bewohnt war. Es war gerade keine Kundschaft im Laden. Martha und Gerhild stritten in der danebenliegenden Küche, obwohl man es eigentlich nicht Streit nennen konnte. Martha regte sich über Heikes Urlaubspläne auf, die Gerhild ihr bisher verschwiegen hatte. Gerhild kannte ihre Schwiegermutter, hatte sich deren Reaktion lebhaft vorstellen können. Aber irgendwann musste man sie ja informieren. Es kam wie vorhergesehen. Und im Eifer des Gefechts überhörten beide Frauen die Klingel an der Ladentür.
«Urlaub?», ereiferte sich Martha. «Die hat ja wohl einen Knall. Oder hat sie Geld zu viel? Anfang Oktober legt sich doch kein Mensch mehr an den Strand.»
«Wer hat denn gesagt, dass sie am Strand liegen will?», fragte Gerhild. «Man kann sich im Urlaub auch woanders hinlegen.»
Daraufhin geriet Martha völlig außer sich. «Ach, so ist das. Ist sie etwa …? Von wem? Ich wusste doch, dass sie … Immer tut sie wie eine Nonne, aber mir macht sie nichts vor. Fährt sie allein oder mit dem Kerl, der ihr das angehängt hat? Beteiligt der sich wenigstens an den Kosten?»
«Das musst du sie selber fragen», antwortete Gerhild. «Mir hat sie nur gesagt, dass sie für ein paar Tage ausspannen will, ein günstiges Angebot erwischt hat und sich deshalb die Vertretung leisten kann. Und ich finde, das steht ihr zu. Sie hat noch nie Urlaub gemacht. Vielleicht macht sie eine Städtetour nach Amsterdam oder so.»
«Oder so», sagte Martha und verstummte, als sie gewahr wurde, dass Saskia in der Küchentür stand und aufmerksam lauschte.
Da sowohl Oma als auch Tante Gerhild nicht gut gelaunt schienen, hob Saskia sich die Frage bezüglich des Nachmittags bei der neuen Freundin für später auf. Sie ging hinauf in ihr Zimmer und machte die Schulaufgaben.
Kurz darauf erreichte die Nachricht vom laschen Justizwesen den Laden. Gerhild nahm sie in Empfang und gestattete sich insgeheim ein erleichtertes Aufatmen. Nicht, dass sie Alex die vorzeitige Haftentlassung gegönnt hätte. Aber so hatte Martha wenigstens ein anderes Thema, über das sie sich ereifern konnte.
Gerhild machte sich mit der zweiten Lieferung auf den Weg nach Grevingen, vergaß in der Aufregung jedoch die Plunderteilchen und nahm stattdessen ein Blech voll Kirschstreusel mit, den eine Stammkundin vorbestellt hatte.
Gerhild war besorgter, als sie ihrer Schwiegermutter gegenüber gezeigt hatte. Wobei sie weniger befürchtete, sie könne in aller Herrgottsfrühe über Alex stolpern. Sollte er ihren Weg kreuzen, sie würde schon mit ihm fertigwerden. Aber sie sorgte sich ernsthaft um Heikes Sicherheit.
Hatte er Heike etwa schon belästigt, und
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