Die Schuldlosen (German Edition)
Fläschchen gegeben und Windeln gewechselt hatte, wieso hatte er dann nicht verhindert, dass Heike sie mitnahm?
Aber es würde wahnsinnigen Ärger geben, wenn sie nicht zum Essen daheim war. Und das wog vorerst noch alles andere auf.
«Können wir es nicht heute Nachmittag machen?», fragte sie. «Wenn ich zu spät nach Hause komme, will Oma wissen, wo ich war. Was soll ich ihr denn sagen?»
Das wusste er auch nicht, schaute sie nur nachdenklich an.
«Meine Hausaufgaben kann ich vor dem Essen machen», bemühte sich Saskia, ihm ihren Vorschlag schmackhaft zu machen. «Wenn Oma gesehen hat, dass alles richtig und ordentlich ist, darf ich spielen. Und wenn ich sage, ich darf heute bei meiner neuen Freundin spielen, kann ich bestimmt gehen. Dann muss ich nur Tina mitbringen.»
Daraufhin nahm er an, Tina sei ihre neue Freundin. Er lächelte bedauernd. «Tut mir leid, Süße, das ist keine gute Idee. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, mit zwei hübschen jungen Damen Eis zu essen. Aber wenn Tina ihrer Mama etwas von unserem Rendezvous erzählt, kriegen wir garantiert beide gewaltigen Ärger.»
«Ich bin doch Tinas Mama», klärte Saskia ihn auf. Tina war ihre Puppe. Ihre neue Freundin hieß Melanie, war aber nur eine Freundin für die Schule. Nachmittags hatte Melanie keine Zeit, da bekam sie Ballettunterricht und Klavierstunden, musste einmal die Woche schwimmen und einmal reiten. Aber das wussten Oma und Tante Gerhild nicht, weil Melanie im Margarineviertel wohnte und ihre Mutter Fabrikbrot beim Discounter kaufte.
Alex lächelte nicht mehr, er strahlte sie an. «Was habe ich doch für ein kluges Kind. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz ich auf dich bin. Dann komm mit deiner Tina zum Friedhof, wenn du die Schularbeiten gemacht und gegessen hast. Wir treffen uns an der Kinderecke. Weißt du, wo die ist?»
Woher hätte Saskia das wissen sollen? Ihre Familie hatte noch kein Kind zu Grabe tragen müssen.
Den Passat brachte Alex sofort zurück zur S-Bahn-Station. Leider war die Stelle, an der Lothar das Fahrzeug frühmorgens verlassen hatte, nicht mehr frei. Aber wer merkte sich auf einem so großen Platz schon auf den Meter genau, wo er morgens um halb sechs sein Auto geparkt hatte? Die Stellflächen waren nicht nummeriert. Solange die Richtung in etwa stimmte, war das Risiko gering. Sitz und Spiegel hatte er nicht verstellen müssen, weil sie von gleicher Statur waren.
Am Montag war Silvies vernünftigem Gatten offenbar nicht aufgefallen, dass sein Kombi in der Zwischenzeit bewegt worden war. Sollte Lothar heute stutzig werden und in Erfahrung bringen, dass Silvies Autoschlüssel sich nicht mehr in der Handtasche befand, konnte er getrost an die Decke gehen. Das müsse ihn nicht mehr tangieren, glaubte Alex, als er den Schlüssel unter den Beifahrersitz schob. Dass der Wagen unverschlossen blieb, kümmerte ihn nicht. Mit eingezogenem Kopf stampfte er los durch Sturm und Regen, verließ das Gelände wie bisher in gebührendem Abstand zu dem Blockhaus.
In euphorischer Stimmung machte er sich auf den Weg zum Autohaus Wellinger. Als er dort ankam, hätte man ihn auswringen können. Seine schicke neue Lederjacke war anscheinend nicht ausreichend imprägniert. Die Nässe drang durch, tränkte den Futterstoff, sickerte weiter in die nächste Stofflage und machte aus einem kuschelig warmen Fleecepullover einen nassen Sack, der unangenehm kalt auf der Haut klebte.
Dann musste er auch noch eine herbe Enttäuschung einstecken. Mit einer neuen Batterie, einem Ölwechsel, einer gründlichen Inspektion und ein paar neuen Dichtungen brachte man keinen Oldtimer zurück auf die Straße – zumindest nicht, wenn Geld keine Rolle spielte.
Kurt Wellinger ließ sich nicht blicken, überließ es einem Meister aus der Werkstatt, Alex zu verklickern, dass es umfangreicher Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bedurfte. Das Problem war, dass man Ersatzteile für so alte Autos nicht mehr beim Hersteller ordern konnte. Die wurden längst nicht mehr produziert.
Aber man habe schon Kontakt zu anderen Werkstätten, Gebrauchtwagenhändlern und so weiter aufgenommen, die notwendigen Teile seien bestellt, hieß es. Alex solle doch in zwei oder drei Tagen noch einmal nachfragen. Man könne ihn auch gerne anrufen und Bescheid sagen, wenn der Wagen dem TÜV vorgestellt werden konnte.
Da er sein Handy an Silvie verschenkt hatte und der Festnetzanschluss in der Villa nach dem Tod seines Vaters stillgelegt worden war, entschied
Weitere Kostenlose Bücher