Die Schuldlosen (German Edition)
Alex sich für das erste Angebot. «Ich frage morgen nach», sagte er. «Und es wäre schön, wenn ich den Wagen übermorgen haben könnte. Sonst muss ich einen Sachverständigen zuziehen und den Arbeitsaufwand einschließlich der notwendigen Ersatzteile schätzen lassen.»
Gar so blöd, wie die dachten, war er doch nicht.
Das freundliche Mädel am PC im Servicebereich rief ihm ein Taxi. Zuerst ließ er sich ins Stadtzentrum bringen, besorgte sich ein neues Kartenhandy und einen Regenschirm, der schon auf dem Rückweg zum Taxi umknickte und im nächsten Abfallbehälter landete.
Dann ging die Fahrt weiter zum Discounter. Wieder trug er dem Fahrer auf zu warten, kaufte verschiedene Sorten Eis, Lebensmittel für den eigenen Bedarf, einige Pizzen und ein paar Leckereien, von denen er annahm, dass die Bäckerei Jentsch sie nicht führte. Es sollte etwas Besonderes sein, was Saskia nicht jeden Tag geboten wurde. Dabei wusste er noch gar nicht, wie er das Kind ohne Auto und ohne gesehen zu werden vom Friedhof zur Villa bringen sollte.
Wenn sie überhaupt kam!
Auch bei einer Familie, die nicht viel Zeit für ihre Kinder hatte, sollte man annehmen, dass sie ein siebenjähriges Mädchen nicht unnötig durch so ein Wetter zu einer neuen Freundin laufen ließen. Es goss ohne Unterbrechung, und der Wind legte immer mal wieder einen Zahn zu. Keiner, der nicht unbedingt musste, setzte freiwillig einen Fuß vor die Tür.
Als er heimkam, stopfte er seine Schuhe mit dem altem Zeitungspapier aus dem Zimmer seiner Mutter aus, stellte sie zum Trocknen unter die Heizung in der Küche und hoffte, dass er sie wieder anziehen konnte, wenn er aufbrechen musste, um Saskia abzuholen. Die teuren Laufschuhe waren für so ein Wetter kaum geeignet.
Seine Lederjacke fühlte sich matschig und schwammig an. Der durchnässte Futterstoff hatte auf den Fleecepullover abgefärbt. Er hängte die Jacke über eine Stuhllehne und schob den Stuhl vor die Heizung. Zum Glück gab es Ersatz auf dem Dachboden, hatte er beim Stöbern entdeckt.
Unter den Sachen des in Russland gebliebenen Bruders war eine Wetterjacke aus Wachstuch. Die passte ihm, als sei sie eigens für ihn gemacht worden. Der tapfere Krieger musste von gleicher Statur wie er gewesen sein. Und dem Wachstuch machte die Nässe garantiert nicht so viel aus wie den beiden Jacken, die er alternativ hätte anziehen können.
Dann zog er sich die restlichen nassen Klamotten vom Leib und ging erst mal unter die Dusche. Da die Heizung seit Stunden bullerte, war das Wasser wunderbar heiß. Er wärmte sich auf, zog trockenes Zeug an und brachte das nasse in den Keller.
Auf den Leinen in der Waschküche war kaum Platz. Es wurde Zeit, dass er die Sachen abnahm und wieder in die Schränke räumte. Aber nicht heute! Heute musste er sich um Saskia kümmern! Wenn sie denn zum Friedhof kam.
Um halb eins schob er eine Pizza in den Backofen. Er aß nicht einmal die Hälfte, hatte keinen Appetit, war so nervös wie lange nicht mehr. Ach was, so nervös war er noch nie gewesen, nicht mal kurz vor der Urteilsverkündung im Prozess. Er hatte doch nicht geglaubt, dass die ihn ohne Sachbeweise, nur aufgrund von Heikes Aussage verknackten.
Frau Doktor Brand hatte das ebenso wenig geglaubt, von schlampigen und einseitigen Ermittlungen gesprochen, weil die Kripo gar nicht in Betracht gezogen hatte, dass ein anderer der Täter, dass es ohne weiteres auch eine Täterin gewesen sein könne. Bei Janice Hecklers freizügigem Wesen, das vor verheirateten oder sonst wie liierten Männern nicht haltgemacht hatte, müsse sie zwangsläufig mehr als eine Frau gegen sich aufgebracht haben, hatte die Anwältin in ihrem Schlussplädoyer noch einmal betont.
Und da es in unmittelbarer Nähe ihres Elternhauses passiert war … Da hätte sich eine betrogene, eifersüchtige, wütende Frau nur auf die Lauer legen müssen, um Janice abzufangen, niederzuschlagen und zu ersäufen wie eine rollige Katze. Am Ende sei es die Belastungszeugin selbst gewesen, hatte Frau Doktor Brand argumentiert und in Berufung gehen wollen.
Aber dann hatte sein Bruder sich eingemischt und zu bedenken gegeben, dass es in einer Berufungsverhandlung noch schlimmer kommen könne. Wenn sich zum Beispiel einer fände, der mehr wusste als Heike und bisher den Mund gehalten hatte. Und da Lothar bereits merklich auf Distanz gegangen war …
In seinem Hinterkopf drückte Silvie noch einmal ihre Hoffnung aus, dass er keine Dummheiten machte. Halt dich von Heike
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