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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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Sicherlich, man hat von den Nackten in der Straßenbahnlinie 8 gehört, die sich im Wildwasser abwärts stürzen, welches – eine Eigenheit Münchens - unterirdisch unter der gesamten Stadt hindurchführt, erst im Englischen Garten durch ein Maul ins Freie tritt, wo es dann unter den Augen der japanischen Touristen unsere Nackten donnernd davonträgt. Aber das sind alles wilde Studenten, die so etwas unternehmen, und daß sie am Ende nackt und bloß in die Straßenbahn steigen, um wieder zum Maul hinaufzufahren, soll jetzt auch verboten sein. Ich weiß es nicht. Im Jakobi-Bad scheint es weitaus ziviler zuzugehen. Nahm ich an.
    Das Schild an der Bretterwand irritie rte mich allerdings. Wie sollte man dort hindurchgehen? Mit Badehose? Was ja verboten war. Oder sollte man sie vorher ablegen und nackt passieren, was offenkundig niemand tat. Männer mit riesigen Badehosen, entweder hoch über dem Bauch getragen, so daß gerade die Brustsäcke, oder wie man sie nennen sollte, herausschauten, oder aber unterhalb des Bauchs, was auch nicht besser aussah, gingen frei als XXXL hindurch. Und die Damen? Flatterten üppig im Wind, da war auch keine, die sich entledigte, ich habe das drei Stunden lang verfolgt.
    Am Ende stand ich auf, um die Inschrift zu studieren. Sie war dauerhaft in Blech geprägt, schwarz und weiß: «Freikörpergelände», und darunter «Zugang nur ohne Kleidung gestattet.» Fast wäre ich mit einer Gruppe junger Männer hineingegangen (im Schwung mit hinein), fast! Sie waren alle voll bekleidet, Hemden, Hosen, Jacken, als ob sie dort eigentlich nichts zu suchen hätten, waren auch sehr laut. - Denkwürdig insofern, als es das erste Mal war, daß ich dort eintreten wollte.
    Und dann doch nicht.

    *

    Das war am Montag. Am Dienstag war ich mit meinen chaldäischaramäischen Studien beschäftigt. Ein warmer, sogar heißer Dienstag war es, mit einem nahezu wolkenlosen Himmel, trotzdem hatte ich mich in meine Bibliothek im ersten Stock eingeschlossen, deren Fenster noch dazu nach Norden hinausgehen. Es war kühl hier drinnen, die lange Reihe der goldgepreßten Lederrücken, die ich mir zugelegt hatte - sechsundzwanzig Bände Pflugk-Hartung! - spiegelte das Licht der großen, grünen Sommerkugel wider. Ich gebe zu, es war wegen der Lederrücken, daß ich sie mir geleistet hatte, es hätte auch die gekürzte Ausgabe sein können oder die broschierte, aber ich leistete mir die sechsundzwanzigbändige. Vielleicht heute nicht mehr. Dazu den Wieland-Kroll, der steht in Weinrot und Moosgrün auf der anderen Seite, acht-zehnbändig. Meine Studien haben mich über Jahre systematisch in die Denkungsart vorderasiatischer Kulturen sowie überhaupt frühgeschichtlicher Menschheitsperioden eingeführt. Ich erheische, mit einigem Realitätsbezug, wie ein Hethiter aus der Zeit Darius des Ersten denken zu können - und, wenn es darauf ankäme, zu handeln. Beachtliches Echo erzeugte meine ‘98 im «HistorySheffield» erschienene Abhandlung über Tempelprostitution im alten Ninife (genauer gesagt im «neuen» Ninife), in der ich die Stellung der Frau spezifiziere, welche von Staats wegen ausnahmslos - verheiratet oder nicht verheiratet - ein Jahr lang in den Lustparks der Tempelbezirke ihren Dienst zu verrichten hatte. Das zog einiges Echo nach sich. Ich meine, es war die Veröffentlichung, bekannt war es natürlich. So wie ich auch auf zwei meiner Arbeiten über den Tantrakult an der indischen Ostküste (wedische Zeit) verweisen kann. Ebenfalls im Rahmen meiner frühhistorischen Studien. An diesem Tag schrieb ich anderthalb durchschnittlich gute Seiten eines Skripts «Die Kinder Sems», an dem ich seit vier Jahren arbeite und nachweise, daß das Hebräische, Aramäische und Arabische gemeinsamen Ursprungs im semitischen Sprachraum sind - beziehe mich auf die Genesis (Kap. 10), wo die Stammväter dieser Völkerschaften als Kinder des Sein , Sohn des Noah bezeichnet wurden. Alttestamentarisch. Vergleichbar mit dem sumerischen «Elam» – – aber ich möchte hier nicht zu weit gehen, kam auch nicht mehr weit an diesem sehr schönen Morgen. Zwei Seiten weit. Bis zwölf Uhr.
    Dann ging ich ins Jakobi-Bad.

    *

    Es kam für mich selbst überraschend. Eben noch befand ich mich in der einen Welt, in der alles richtig war, die Rufe, das Geschrei, die Sonnenschirme, die Badehosen und die bleichen Ehefrauen, die von den Ballspielern gestört wurden, selbst die Fußballspieler waren richtig mit ihren sackartigen, viel zu weit

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