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Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gefährten finden?
    Nein, so weit sein Auge reichte – nicht; die nackten Felsen starrten jetzt bei tiefster Ebbe leer empor.
    Godfrey war allein!
    Er konnte nur auf sich zählen im Kampfe gegen Gefahren aller Art, die ihn bedrohen würden.
    Doch sagen wir zu seinem Lobe, daß der junge Mann angesichts dieser Thatsache nicht den Muth sinken ließ. Da es ihm jedoch vor allem Anderen darauf ankam, unter den Füßen festen Boden zu fühlen, von dem ihn ja nur ein geringer Zwischenraum trennte, so kletterte er vom Gipfel des Felsblocks herab und begann sich dem Ufer zu nähern.
    Wenn der Raum zwischen den Steinen zu groß war, um übersprungen werden zu können, warf er sich in’s Wasser und erreichte, ob er darin nun Grund fand oder sich schwimmend verhalten mußte, immer leicht den zunächst liegenden Felsen. Hatte er dagegen nur den Raum von ein bis zwei Yard vor sich, so sprang er von einem Stein zum anderen. Der Weg über diese schlüpfrigen, mit feuchtem Seegras bedeckten Steine war nicht eben leicht und immerhin ziemlich lang. Er mußte etwa eine Viertelmeile in dieser Weise zurücklegen.
    Gewandt und kräftig, wie er war, gelang es Godfrey doch endlich, den Fuß auf dieses Land zu setzen, wo ihn, wenn auch nicht ein unmittelbarer Tod, doch ein elendes Leben – vielleicht noch schlimmer als jener – erwartete. Hunger und Durst, Kälte und Entblößung, Gefahren jeder Art, ohne eine Waffe zu seiner Vertheidigung, ohne ein Gewehr, um Wild zu erlegen, ohne Kleidung zum Wechseln, das waren die wenig verlockenden Aussichten, die sich ihm darboten.
    Oh, der Thor! Er hatte erfahren wollen, ob er fähig sei, sich unter schwierigen Verhältnissen durchzuhelfen.
    Nun, hier konnte er die Probe darauf machen. Er hatte das Los eines Robinson beneidet, jetzt konnte er sich überzeugen, ob ein solches so beneidenswerth sei.
    Und dann erwachte in ihm wieder der Gedanke an jene glückliche Existenz, an das gemächliche Leben in San Francisco, inmitten einer reichen und liebevollen Familie, die er verlassen, um sich in ungeahnte Abenteuer zu stürzen. Er erinnerte sich seines Onkels Will, seiner Braut Phina, seiner Freunde, die er jedenfalls nicht wieder sehen sollte. Bei diesen Bildern aus vergangener Zeit krampfte sich ihm das Herz zusammen, und trotz seiner Entschlossenheit drängte sich ihm eine Thräne in’s Auge.
    Und wenn er nur nicht allein gewesen wäre, wenn irgend ein anderer Ueberlebender aus dem Schiffbruche hätte diese Küste erreichen können, wäre es auch, wenn nicht der Capitän oder der zweite Officier, selbst der letzte der Matrosen gewesen, nur der Professor Tartelett, obgleich er von diesem gewiß wenig Unterstützung erwarten durfte, wie viel weniger erschreckend hätte ihm die Zukunft entgegengesehen! Doch auch nach dieser Seite wollte er noch nicht alle Hoffnung aufgeben. Wenn er an den Klippen keine Spuren von Menschen gefunden hatte, konnte er nicht Einem oder dem Anderen auf dem Sande des Vorlandes begegnen? Sollte wirklich nicht noch Einer diese rettende Küste erreicht haben, der vielleicht ganz wie er jetzt nach einem Gefährten suchte?
    Godfrey überflog mit dem Blicke noch einmal die ganze Umgebung nach Norden und nach Süden. Er entdeckte kein menschliches Wesen. Offenbar war dieser Theil des Landes unbewohnt. Eine Hütte zeigte sich nicht, von einer in die Luft aufsteigenden Rauchsäule war keine Spur zu sehen.
    »Vorwärts also!« rief Godfrey sich selbst zu.
    Bevor er die sandigen Dünen hinaufklomm, die ihm einen umfassenden Ueberblick über das Land gewähren mußten, ging er erst nach Norden längs des Vorlandes hin.
    Allüberall ungestörtes Schweigen. Der Sand wies keinerlei Fußspur auf. Einige Seevögel, Möven und Taucherenten, die einzigen lebenden Wesen in dieser Einöde, flatterten am Rande der Klippen hin. So wanderte Godfrey eine Viertelstunde. Endlich schickte er sich an, den Kamm einer der höchsten Dünen, welche mit Binsen und magerem Gesträuch bestanden war, zu ersteigen, als er plötzlich inne hielt.
    Ein unförmlicher, stark aufgeblasener Gegenstand, etwa wie der Cadaver eines von den letzten Stürmen an’s Land geworfenen Seeungeheuers, lag da kaum fünfzig Schritte von ihm am Rande der Klippenreihe.
    Godfrey eilte nach demselben hin.
    Jemehr er sich näherte, desto lauter fing sein Herz an zu schlagen. Wahrlich, er glaubte in diesem gestrandeten Geschöpfe gar eine menschliche Gestalt zu erkennen.
     

    Der Weg war nicht eben leicht. (S. 70.)
     
    Godfrey befand

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