Die Schule der Spielleute
prangte in der Mitte. Nur gut, dass sie das alte Zeug genommen hatte.
Elbelins Bündel war heute deutlich kleiner, es enthielt nur noch eine Schalmei. Dafür trug er den Kasten mit Meister Wolframs kleiner Orgel.
Von der Harfe lag das Lederfutteral in der Ecke. Marjorie nahm es an sich. Nun, da der Stall leer war, wagte auch sie die paar Schritte hinein.
Franz hatte keine Instrumente mehr im Stall. Dafür trug er wieder mit Roberts Hilfe Israels schwere Truhe mit in den Schankraum.
Obwohl sie Burkhard vertraute, dämmerte Alheit in dieser Nacht nur vor sich hin. Sie meinte, auf dem Hof Geräusche zu hören, die nicht von sich balgenden Katzen stammten. Kam da etwa jemand die Treppe herauf?
Sie versuchte sich abzulenken, indem sie überlegte, was ihr beim Umräumen der Instrumente nicht gefallen hatte, abgesehen von dem Schmutz auf ihrer Filzdecke.
Konnte es sein, dass ein Instrument zu wenig vom Stall in den Schankraum gewandert war? Sie rief sich den Ablauf noch einmal ins Gedächtnis.
Einer der länglichen Holzkästen fehlte. Alheit fuhr halb in die Höhe.
Ausgerechnet eines von Meister Wolframs Instrumenten. Er würde es kaum immer mit sich herumtragen, wenn ihm schon das Auf-und Zuklappen des Deckels so schwerfiel.
Alheit versuchte sich zu erinnern, was er tagsüber im Schankraum dabeihatte. Hinter ihm stand ein aufgeklappter Kasten, der für die Laute, die er gerade spielte. Außerdem die hohe Truhe, die Elbelin für ihn weggebracht hatte. Gab es nicht noch einen dritten?
Aber Meister Wolfram hatte keinen Alarm geschlagen. Das war nicht seine Art. Hatte er den fehlenden Kasten noch nicht bemerkt? Alheit bezweifelte es.
Stand der Kasten vielleicht in seinem Quartier, weil er glaubte, dort sei das Instrument sicherer? Alheit würde am nächsten Morgen nachsehen.
Doch auch nach diesem Entschluss konnte sie weder schlafen noch einen klaren Gedanken fassen, und wälzte sich bis zur Morgendämmerung unruhig hin und her.
DONNERSTAG NACH REMINISCERE
Am folgenden Morgen war die Stimmung noch immer gedrückt. Tamas und Lene saßen pünktlich beim Frühstück. Sie brauchten keine Fisch-oder Schlachtabfälle mehr zu besorgen. Dennoch schienen sie wie durch eine unsichtbare Wand von den anderen getrennt. Sie sprachen nur miteinander und schauten niemanden an.
Doch während sich Lene wie jeden Tag aufmachte zu ihrer üblichen Beschäftigung, wirkte Tamas wie ein wandelnder Leichnam. Man musste ihn zweimal ansprechen, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten, und oft noch ein weiteres Mal für eine Antwort. Schon früher hatte er in Meister Wolframs Unterricht ausgesehen, als wäre er in Gedanken weit weg, hatte dann aber schnell das Erklärte nachgefidelt. Jetzt nahm er wirklich nicht mehr teil. Seine Fidel war nicht gestimmt, der Bogen nicht geharzt. Franz musste ihn schubsen, wenn es ans Spielen ging. Dann hob der Ungar Fidel und Bogen, strich einen unsicheren, schrägen Ton und ließ sie mit traurigem Kopfschütteln wieder sinken.
Doch außer auf Tamas sollte Franz auch noch auf Elbelin achten. Ehe Alheit den Schankraum verlassen hatte, um ein neues Schloss für die Stalltür zu besorgen, hatte sie ihn leise aufgefordert: ťElbelin hat gestern im Hof etwas verloren. Kannst du herausfinden, was?Ť
Franz glaubte nicht, dass ihm das gelingen würde. Dennoch behielt er den jungen Mann im Auge. Dieser hatte alles, was er brauchte, um seine Rotta zu stimmen und zu spielen. Das war kein bedeutendes Ergebnis. Ob Alheit damit etwas anfangen konnte?
Meister Wolframs Ausbruch riss Franz aus seinen Gedanken. ťHeilige Cäcilia! Werft endlich diesen widerspenstigen Bärenführer hinaus. Da hat ja das Weib noch weniger Ärger gemacht!Ť
Doch es regte sich niemand, um seine Anweisung auszuführen.
Nach kurzem Schweigen fragte Israel: ťSpielen wir das Stück noch einmal?Ť
Als der Unterricht begonnen hatte, lugte Alheit noch einmal in den Schankraum. Es sah fast genauso aus, wie sie sich in der Nacht erinnert hatte. Hinter Meister Wolfram standen zwei Kästen für seine Instrumente.
Alheit überquerte den Hof und schlug im Kaminzimmer den Vorhang zurück, hinter dem Meister Wolfram sich niedergelassen hatte. Dabei wusste sie nicht einmal, was sie genau suchte. Sie hatte Wolfram nie etwas anderes spielen sehen als seine Laute.
Während sie Wolframs Mantel hochhob und sein Bündel durchsuchte, stieg ihr ein scharfer Geruch in die Nase, ähnlich wie das Zeug, mit dem Franz neuerdings seine Hände einrieb.
Weitere Kostenlose Bücher