Die Schule der Spielleute
halbes Dutzend Leute betrat johlend und grölend einen Raum etliche Schritte vor der Treppe, unter der Meister Friedrich sich verbarg. Dort legten sie ihre Bündel ab, kamen wieder heraus und gingen entweder durch eine Tür direkt am Fuß der Treppe oder die Treppe hinauf. Einer verließ den Hof ganz.
Dann endlich trat Lene ungehört durch das Tor.
MITTWOCH NACH OCULI
Es war ihr letzter Tag im Wilden Mann. Morgen früh würden sich alle auf den Weg nach Frankfurt machen, zum Reichstag. Dort würden sie trotz allem etwas verdienen können und vielleicht neue Herren finden. Meister Wolfram kürzte die gewohnten Pausen deutlich ab, dafür beendete er den Unterricht erst, als Burkhard mahnte, er müsse die Gaststube zum Essen herrichten. Alheit bemerkte, wie Robert sich durch das Hoftor davonstahl, obwohl nicht mehr viel Zeit blieb, sich in der Stadt herumzutreiben. Marjorie und Katherine nahmen anscheinend keine Notiz von seiner Abwesenheit.
Robert stand eine Weile allein am Weinausschank. Gedankenverloren hielt er sich an seinem Becher fest, drehte ihn zwischen den Fingern, nippte hin und wieder daran.
Hinter ihm lärmten Spielleute aus aller Herren Länder, sangen, pfiffen, tanzten und überboten einander mit haarsträubenden Erzählungen. Schon viele Jahre reiste er mit ihnen, bald ein halbes Leben. Er hatte es sogar zu einiger Fertigkeit auf der Flöte gebracht und dafür einen neuen Namen bekommen: Piper. Dennoch zog es ihn mehr zu den Gewürz-und Arzneihändlern als zu den Instrumentenbauern. Das war seine Welt. Nur ein böses Geschick hatte ihn daraus vertrieben. Er ächzte leise und ließ seinen Blick noch einmal über die Gesellschaft wandern, ob nicht der gekommen wäre, auf den er wartete.
ťFŕilte, Meister Pillendreher, heute ohne Frau unterwegs?Ť Ein hochgewachsener Rothaariger in einer knielangen dunkelgrünen Cotte war zu ihm getreten.
Robert fuhr herum. ťWo kommst du plötzlich her?Ť
ťIch schaue dem Treiben schon eine ganze Weile zu. Es ist ein Jammer, so viel Kraft und Witz für Nichtigkeiten vergeudet zu sehen.Ť
Robert wusste, warum Malcolm in seiner Sprache vom Rand der Welt redete, und er verstand, was er sagte. Eine Antwort vorzubringen fiel ihm jedoch schwer. ťNur deshalb lässt man sie auch dort ein, wo Schwertträger nicht willkommen sind.Ť
ťDu hast ja recht, Robert. Wie steht es, fahrt ihr bald weiter nach Frankfurt?Ť
Robert sah zweifelnd zu Boden. ťMorgen, so war es geplant. Wann tut sich dort etwas?Ť
ťBaldŤ, erwiderte Malcolm. ťBis Ende der Woche werden die großen Herren wohl eingetroffen sein. Es heißt, dass der Kaiser mit Geldern Großes vorhat.Ť
ťSieh an, mit Geldern.Ť Robert strich sich über das Kinn. ťDas wird noch mehr Leute interessieren.Ť
Malcolm hob ein Fässchen auf den Tisch. ťDen wolltest du doch haben, oder?Ť
ťNur eins?Ť
ťSag erst, was du in Fulda erreicht hast.Ť
Robert schüttelte den Kopf. ťNicht viel. Niemand kennt das Buch, das Bischof William sucht. Vielleicht muss ich weiter nach Süden.Ť
Malcolm nickte. Dann fragte er noch einmal: ťWann reist ihr nach Frankfurt?Ť
ťMorgen, übermorgenŤ, Robert zuckte die Schultern. ťEs ist ja nicht weit. Ich muss nur meine Weibsleute überreden.Ť
ťIch habe noch drei Fässchen davon in meinem Karren. Vielleicht hilft das.Ť
Robert nickte.
Als es dunkel wurde, versammelte sich die Gesellschaft wieder in der Gaststube zum Abendessen. Eine Eierspeise war es diesmal. Der Herr von Alzey versorgte seine Schüler nicht schlecht. Dennoch gab es einige missmutige Gesichter am Tisch. Nur Lene strahlte geradezu. Alheit rümpfte die Nase. Lenes Einkünfte aus ihrem Nebengewerbe waren wohl gut gewesen. Näheres wollte Alheit sich gar nicht ausmalen.
Sie saßen noch beim Essen, als Elbelin mit einem Mal aufsprang. ťDa ist der Jude wieder.Ť
Alle Köpfe fuhren herum.
Burkhard verließ hinter jemandem, von dem nur noch eine Gewandfalte zu sehen war, die Küche in Richtung Hof. Es mochte Israel sein. Elbelin lief ebenfalls hinaus, die anderen folgten ihm.
ťWas machst du hier, Jude?Ť, rief Elbelin, obwohl niemand zu sehen war.
Zwei fremde Knechte, beide Juden, kamen aus dem Bärenstall. Sie trugen die mächtige Truhe, in der Israel seine Instrumente verwahrte.
Oder auch nicht. Denn eben kam der Spielmann auf den Hof, aus einer Tür neben der Küche, mit Guiterne und Sackpfeife. Burkhard folgte ihm und schloss die Tür wieder ab.
Israel beachtete die anderen nicht, er sprach nur mit
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