Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
niemand, nehme ich an. Das muss ja ein Gefühl sein… ja, was für ein Gefühl ist das?«
Van Veeteren zögerte eine Weile mit der Antwort.
»Es ist ein Trost«, sagte er. »Verflucht, natürlich ist es ein Trost. Das Leben ist so verdammt sonderbar, man spürt irgendwie erst viel, viel später, was wichtig und was nicht so wichtig ist. Wenn man Pech hat, dann ist es zu spät, wenn man es einsieht, obwohl…«
Er machte eine Pause, aber Moreno nickte nur und wartete, dass er weitersprach.
»Natürlich ist es nicht nur das eigene Leben, das klappen soll. Das tut es allerdings ja nie, man muss sich da mit einem gewissen Gleichgewicht begnügen… nein, es geht um die größere Perspektive, und dieser kleine Wurm da im Wagen ist Bestandteil von etwas, das so verdammt viel größer ist als alles, wovon ein alter Antiquariatsbuchhändler träumen kann… hm, ich glaube, ich werde senil.«
Ewa Moreno schaute ihn an, und er wünschte plötzlich, er wäre fünfundzwanzig Jahre jünger. Dann fiel ihm Ulrike ein, und er musste zugeben, dass es auch gar nicht so schlimm war, über sechzig zu sein.
»Ich bin gerührt«, sagte Ewa Moreno. »Entschuldige, dass ich das sage, aber ich bin es wirklich.«
»Äh, hrrm«, räusperte Van Veeteren sich. »Das steht dir. Doch ich bilde mir ein, dass du aus einem anderen Grund gekommen bist. Vielleicht auf der Jagd nach Lektüre für den Samstagabend?«
Moreno lachte.
»Nicht direkt«, sagte sie. »Aber diese Kleinigkeit kann ich eigentlich gleich mit erledigen, wenn ich schon mal hier bin. Nein, es geht um die alte Geschichte. Um den Fall Kammerle-Gassel, wie wir ihn nennen, obwohl es fast wie ein Motorradfabrikat klingt… oder wie eine Krankheit. Nun, wie dem auch sei, ich nehme an, dass du weiterhin daran interessiert bist?«
»Stimmt«, gab Van Veeteren zu. »In höchstem Grad.«
»Du hast nicht zufällig gestern Abend ferngesehen?«
»Ferngesehen?«, fragte Van Veeteren nach und zog die Augenbrauen hoch. »Nein, warum hätte ich das tun sollen?«
»Es gibt Menschen, die tun so etwas«, erklärte Moreno.
»Ich mache mir nicht so viel aus diesem Volksvergnügen. Ich glaube sogar, unser Apparat ist kaputt, Ulrike hat so etwas in der Richtung erwähnt… worum ging es denn?«
»Um ein Verbrechensmagazin. Sie haben den Fall vorgestellt. Hiller war dabei, Reinhart auch…«
»Reinhart?«
»Ja.«
»Die Zeit gerät aus den Fugen«, sagte Van Veeteren.
Moreno verzog den Mund.
»Sicher«, nickte sie. »Das tut sie. Auf jeden Fall war die Idee, dass ein wenig Aufmerksamkeit den Ermittlungen gut tun könnte. Die laufen nämlich äußerst zäh, wie du vielleicht weißt.«
»Ich habe es vermutet«, sagte Van Veeteren. »Ihr habt noch keine Spur von irgendeinem Täter?«
»Nein«, musste Moreno zugeben und zuckte mit den Schultern. »Das wäre zu viel gesagt. Aber gestern kamen ein paar Reaktionen auf die Sendung, und da du ja auch ein bisschen in diese Geschichte mit dem Pfarrer verwickelt bist…«
Van Veeteren schob eine nachdenkliche Hand unter das Kinn und runzelte die Stirn.
»… ja, wir haben jetzt rausgekriegt, was er auf dem Bahnhof zu suchen hatte. Er wollte nämlich einen Liebhaber abholen, der mit dem Zug kam. Du erinnerst dich daran, dass Gassel homosexuell war?«
»Schließlich habe ich euch darauf hingewiesen«, betonte Van Veeteren in aller Bescheidenheit.
»Ja, natürlich. Nun gut, und dieser Liebhaber ist also gestern aufgetaucht und hat ein volles Geständnis abgelegt… ja, dass er also im Zug war und warum, meine ich.«
»Wirklich?«, sagte Van Veeteren und dachte einen Moment nach. »Und was bringt das?«
»Nicht viel, wie ich fürchte«, sagte Moreno. »Aber es ist wieder ein kleines Puzzleteilchen. Ansonsten hatte er nichts weiter über Pastor Gassel zu berichten. Sie kannten einander kaum, wie er behauptet. Trafen sich nur ein paar Mal im Jahr und waren dann halt zusammen. Ja, einige haben das offenbar auf diese Art geregelt.«
»Offenbar«, stimmte Van Veeteren zu. »Ist noch mehr im Kielwasser des Volksvergnügens an die Oberfläche gekommen?«
»Ein bisschen«, stellte Moreno fest. »Aber nicht viel. Eine Zeugenaussage, in der behauptet wird, dass an diesem Abend ein Mann über die Gleise des Hauptbahnhofs gelaufen sei. Sehr intelligent, mit dieser Information zweieinhalb Monate hinterm Berg zu halten…«
»Ist er glaubwürdig?«
»Sie«, korrigierte Moreno, »es ist eine Sie. Eine junge Frau. Doch, ja, sowohl Reinhart als auch Krause
Weitere Kostenlose Bücher