Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
nur Bettruhe und Ausruhen angesagt.
Dorff erklärte ihr, dass er den ganzen Abend daheim sein würde, sie bräuchte nur anzurufen, falls noch etwas wäre. Sie dankte ihm und schob ihn freundlich zur Tür hinaus. Wollte ihn doch nicht mit ihren Bazillen anstecken, wie sie erklärte, und einem derartigen Argument gegenüber war er natürlich machtlos.
Abwechslungshalber platzierte sie sich auf dem Sofa und versuchte, etwas zu lesen, aber die Intrigen und Horrorschilderungen in Diza Murklands neuestem Kriminalroman, der im letzten Monat schnell auf den ersten Platz der Bestsellerliste geklettert war, raubten ihr schnell die Kraft, sodass sie von Neuem einschlief.
Erst gegen neun Uhr abends hinterließ sie eine Nachricht auf Ester Peerenkaas’ Anrufbeantworter, und erst da verspürte sie eine gewisse Unruhe.
Wo zum Teufel trieb sie sich herum? Warum war sie nie zu Hause und ging nie ans Telefon?
Es gab natürlich alle möglichen ganz logischen Antworten auf diese Fragen. Dass sie einkaufen gegangen war beispielsweise. Zu Besuch bei irgendwelchen Bekannten. Im Kino (aber das war sie doch schon gestern gewesen, oder?) oder ausgegangen und sich auf irgendeine andere Weise amüsierte. Schließlich war ja trotz allem Samstag. Es gab keinen Grund, daheim zu sitzen und seine Jugend zu vergeuden. Wenn man nicht elend und krank war natürlich.
Und genauso, nämlich elend, fühlte Anna Kristeva sich. Als sie ihre Abenddusche genommen und so viel Flüssigkeit in sich geschüttet hatte, dass es für ein Kamel vor einer Wüstensafari gereicht hätte, hatte sie immer noch Fieber, und die Kraftlosigkeit lag wie ein altes, hoffnungsloses Leichentuch über ihr.
Oh Scheiße, dachte sie. Jetzt muss ich Dorff morgen bitten, mir noch mehr Saft zu kaufen.
Nun ja, er würde nichts dagegen haben.
Der Sonntag begann etwas besser, aber nicht sehr viel. Statt Dorff zu bemühen, begab sie sich aus eigenen Kräften hinunter zu dem Kiosk an der Ecke, aber als sie wieder oben war, fühlte sie sich einer Ohnmacht nahe. Sie ging sofort zurück ins Bett, wo sie erst einmal eine Stunde ruhte, dann zwei Stunden lang die Sonntagszeitung las. Sie trank wieder Saft und Wasser, bekam schließlich eine halbe Scheibe Brot und eine Banane hinunter und kontrollierte die Temperatur.
Achtunddreißig, es war wie verhext.
Am Nachmittag rief sie zum einen ihre Mutter an, um ihr etwas vorzujammern, zum anderen Ester Peerenkaas, bekam aber keine Antwort.
Sie hinterließ keine neue Nachricht, aber eine unangebrachte, etwas merkwürdige Unruhe packte sie von Neuem. Nur einen Augenblick lang, aber es gab sie, und sie wunderte sich, woher das wohl kam.
Während der Abendstunden trat trotz allem eine graduelle Verbesserung ein. Sie las Murkland, schaute fern und lag auf dem Sofa und hörte Musik. Bachs Cellosuiten, die sie als Geschenk zum Fünfunddreißigsten von ihrer Familie bekommen hatte und die außergewöhnlich gut zu so einem Tag passten. Sie rief noch einmal bei Ester an und erklärte dem Anrufbeantworter, dass sie verdammt noch mal zusehen sollte, so schnell wie möglich von sich hören zu lassen, sobald sie den Fußüber die Schwelle gesetzt hätte. Wo treibe sie sich denn nur rum? Hier lag eine arme, vergessene Mitschwester krank und unglücklich darnieder, da konnte sie doch wohl zumindest ein rudimentäres Mitgefühl zeigen? Ein klein wenig menschliches Interesse?
Sie musste matt über sich selbst lachen. Legte den Hörer auf und sah, dass es kurz vor neun war. Darauf beschloss sie, auf jeden Fall den kanadischen Film im Fernsehen zu testen. Wenn es nur Blödsinn war, konnte sie ja immer noch ausschalten.
Der Film war kein Blödsinn, wie sich herausstellte. Zwar auch keine besondere Perle, aber sie schaute ihn sich doch bis zum Schluss an. Schaltete den Fernseher aus, nahm die letzte Aspirin für diesen Tag und ging ins Bad. Das Telefon klingelte, während sie sich die Zähne putzte.
Ester, dachte sie und spülte hastig aus. Endlich.
Aber es war nicht Ester. Es war ein Mann.
»Ja, hallo?«
»Ich bitte um Entschuldigung, dass ich so spät noch anrufe. Spreche ich mit Ester?«
Eine verwirrte Sekunde lang wusste sie nicht, was sie sagen sollte.
»Hallo? Sind Sie noch dran?«
»Ja… nein, Ester ist nicht dran.«
»Kann ich dann mit ihr reden?«
Seine Stimme klang etwas grob. Sie hatte die diffuse Vision eines unrasierten Hafenarbeiters im Netzhemd, mit einer Bierdose in der Hand.
Aber das waren natürlich nur Vorurteile.
»Es gibt unter
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