Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
möglich. Es hängt sicher damit zusammen, dass wir biologisch gesehen solche verdammten Fehlkonstruktionen sind… wenn man einmal tief in die Kristallkugel schaut, meine ich.«
»Was?«, fragte Sammelmerk. »Ich fürchte, jetzt musst du mal ein bisschen deutlicher werden.«
Moreno verschränkte die Hände im Nacken und beschloss, ihren Gedankengang zu Ende zu führen.
»Doch«, sagte sie, »so sieht es aus. Wenn nun die Männchen – davon ausgehend, dass sie nur ihren Instinkten und primitiven Trieben folgen – so programmiert sind, dass sie sich in gut zwanzig Sekunden befriedigen können… ja, dann ist wohl kaum davon auszugehen, dass wir Frauen an dem Ganzen irgendein Vergnügen haben sollen. Oder?«
»I understand that God is a bachelor«, sagte Sammelmerk und lachte verschmitzt. »Aber sie sind doch lernfähig, zumindest die… derjenige… den ich kenne.«
»Mit der Zeit, ja«, sagte Moreno. »Das stimmt. Aber du musst doch zugeben, dass diese… na ja, Tempodifferenz… ziemlich viel unnötiges Leiden verursacht.«
Irene Sammelmerk lehnte sich laut lachend in ihrer Sofaecke zurück.
»Tempodifferenz!«, prustete sie. »Nein, so was… da hast du was gesagt. Aber zurück zu unserem Freund Kerran-Brugger. Was glaubst du, warum er es macht… von seinem eigenen Gesichtspunkt aus gesehen, meine ich? Wenn wir mal versuchen, in sein pervertiertes Gehirn einzudringen.«
Moreno trank einen Schluck Wein und überlegte. Sie blies eine Kerze aus, die schon gefährlich weit heruntergebrannt war.
»Macht«, sagte sie schließlich. »Wenn du die Sache auf den Punkt gebracht haben willst. Wenn man schon keine Liebe von demjenigen kriegt, den man verehrt, so will man wenigstens Unterwerfung… den anderen kontrollieren. Das ist schließlich ein Beweggrund, der so alt ist wie die Menschheit. Mit Sicherheit treibt eine Variante davon auch unseren Würger um.«
»Gut möglich«, stimmte Sammelmerk stirnrunzelnd zu. »Ich habe einmal gelesen: ›Wenn ein Mann zu einer Frau nein sagt, wird sie sterben. Wenn eine Frau zu einem Mann nein sagt, wird er töten.‹ Das klingt doch ziemlich logisch, oder was meinst du?«
»Klingt perfekt«, bestätigte Moreno. »Sind wir in dieser Hinsicht nicht geradezu begnadet heute Abend?«
»Muss am Wein liegen«, meinte Sammelmerk. »Und der Gesellschaft. Spaß beiseite, jetzt ist es aber Zeit, dass ich nach Hause zu meiner Sippe gehe.«
Moreno schaute auf die Uhr.
»Halb zwölf. Ja, und morgen ist wieder ein Arbeitstag.«
»Einer von vielen«, seufzte Sammelmerk. »Ich glaube, ich muss dich bitten, mir ein Taxi zu rufen. Ich habe keine große Lust, in der Dunkelheit auf irgendwelche fremden Kerle zu stoßen.«
»Wenn eine Frau zu einem Mann nein sagt…«, zitierte Moreno und sprang vom Sofa auf. »Ja, da ist schon einiges dran. Igitt.«
»Igitt, ja«, sagte Irene Sammelmerk. »Ich hoffe, wir finden ihn bald.«
»Nur eine Frage der Zeit«, sagte Moreno und nahm den Telefonhörer in die Hand. »Nicht mehr und nicht weniger.«
34
Fünf Minuten bevor Inspektor Rooth Karen deBuijk treffen sollte, wurde er von einer akuten Depression überfallen.
Er war gerade von Zwillesteeg auf den Grote Markt gekommen, als er Jasmina Teuwers fast direkt in die Arme lief. Wogegen er an und für sich nichts gehabt hätte – unter anderen Umständen. Abgesehen vom Italienischkurs hatten die beiden sich dreimal im November und Dezember getroffen: im Café, im Kino, im Restaurant, genau in dieser Reihenfolge, und auch wenn es sicherlich bestenfalls vorsichtige Fortschritte gewesen waren, so waren es dennoch nun mal Fortschritte.
Zumindest hatte Rooth es so aufgefasst.
Jedenfalls bis zu diesem graunassen, windgepeitschten Januarvormittag, als er ihrem Blick begegnete und fühlte, wie sein Herz zerbarst.
Sie war nämlich nicht allein, die Jasmina Teuwers. Ganz im Gegenteil. Sie war in höchst eindeutiger Gesellschaft eines Schönlings in hellbraunem, halblangem Mantel und mit Pferdeschwanz. Er hatte seinen Arm lässig um ihre Schulter geschlungen, sie schauten einander in die Augen und lachten gemeinsam über irgendetwas.
Bis sie in Bruchteilen einer Sekunde auf Rooth aufmerksam wurde.
Eine kleine, dicke Frau mit einem Dackel schob sich zwischen ihn und das eng umschlungene Paar, und so konnten sie tun, als hätten sie einander gar nicht gesehen, Rooth und Teuwers. Konnten jeweils in die betreffende Fahrtrichtung weitergehen, als ob nichts geschehen wäre.
Tra la perduta
Weitere Kostenlose Bücher