Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
Rede sein. Eher von einer Einsicht. Einige Synapsen, die plötzlich funktionierten, und einige Beobachtungen, die einen Zusammenhang bekamen. Intuition, wie es so schön hieß.
Anna Kristeva jedoch war zu einem Entschluss gekommen. Einem entscheidenden, über dem sie Tage und Wochen gebrütet hatte. Der ihre Nerven bis zum Äußersten angespannt hatte und ihren nächtlichen Schlaf auf ein paar Stunden deutlich unter dem Minimum hatte zusammenschrumpfen lassen.
Deshalb hat sie wohl auch so schwarze Ringe unter den Augen, dachte Moreno, als Frau Kristeva kurz nach sieben Uhr im Polizeipräsidium auftauchte.
»Zwei weibliche Kripobeamte?«, wunderte Anna Kristeva sich, nachdem man sich einander vorgestellt hatte. »Das habe ich nicht erwartet. Ist das eine Art neuer Verhörpsychologie, die hier Form annimmt?«
»Das ist reiner Zufall«, versicherte Inspektorin Sammelmerk. »Bitte, setzen Sie sich doch. Kaffee? Wasser?«
»Wasser, bitte.« Sie strich sich ein paar Mal mit den Händen über die leicht verknitterte blaue Jacke und wandte sich Ewa Moreno zu. »Ich habe mit dir am Telefon gesprochen, nicht wahr? Mir war nicht klar, dass wir uns schon mal gesehen hatten…«
»Stimmt«, sagte Moreno. »Und ich muss schon sagen, dass du mich reichlich überrascht hast. Deshalb wären wir dankbar, wenn du uns alles von Anfang an erzählen könntest. Wir müssen es auf Band aufnehmen, es kann tatsächlich ein entscheidender Beweis sein. Dann werden wir ein Protokoll schreiben, das du dann bitte in den nächsten Tagen unterschreibst. Das ist sozusagen die Standardprozedur.«
»Ich verstehe«, sagte Anna Kristeva und blickte zu Boden. »Ich weiß, dass ich damit schon viel früher hätte antanzen sollen, aber irgendwie ist es nie dazu gekommen. Das ist… ja, das war nicht so einfach für mich.«
Sammelmerk stellte das Tonbandgerät an.
»Verhör von Anna Kristeva auf dem Maardamer Polizeirevier am 5. März 2001«, sagte sie. »Es ist 19.15 Uhr. Anwesend sind Inspektorin Moreno und Inspektorin Sammelmerk. Wären Sie so nett und erzählen uns, warum Sie hergekommen sind, Frau Kristeva?«
Anna Kristeva holte tief Luft und ließ ihren Blick unruhig mehrere Male zwischen den beiden Kriminalinspektorinnen schweifen, bevor sie begann.
»Ester Peerenkaas«, sagte sie. »Es geht wie gesagt um Ester Peerenkaas, meine Freundin, die seit… ja, das muss jetzt mehr als eineinhalb Monate sein, seit sie verschwunden ist. Die meisten gehen wohl davon aus, dass sie tot ist… dass sie von diesem Mann ermordet worden ist, der schon vorher Frauen ermordet hat. Aber das stimmt nicht. Ester ist am Leben.«
Sie hatte während dieser Worte ihren Blick ununterbrochen auf das Bandgerät gerichtet. Jetzt schwieg sie einen Moment, schaute auf und trank einen Schluck Wasser.
»Weiter«, ermunterte Moreno sie.
Anna Kristeva stellte das Glas auf den Tisch und faltete ihre Hände um die Knie.
»Ich habe auch geglaubt, dass sie tot ist… wenn ich ehrlich sein soll. Aber dann, eines Abends vor zwei Wochen, da hat sie mich angerufen. Es war der 19. Februar, ein Montagabend. Ich war natürlich total überrascht… und total froh. Zuerst dachte ich, da würde sich jemand einen üblen Scherz erlauben, ja, denn nichts konnte mich glücklicher machen als so ein Telefonanruf… aber da hatte ich ihre Geschichte auch noch nicht gehört. Sie fragte, ob sie für ein paar Tage bei mir wohnen könnte, und verlangte von mir, niemandem zu verraten, dass sie lebte. Ich verstand zwar nicht, warum, jedenfalls nicht, bis ich sie sah und hörte, was an diesem Abend passiert war… und von ihrem Plan.«
»Ihrem Plan?«
»Ja.«
Sie machte eine kurze Pause und schüttelte leicht den Kopf, als hätte sie Probleme, ihren eigenen Worten Glauben zu schenken.
»Sie tauchte noch am selben Abend mit ihrer Reisetasche auf, und als ich ihr Gesicht sah, bekam ich einen Schock. Es war schrecklich, ich dachte sofort an Opfer von Brandkatastrophen, wie man sie im Fernsehen oder in der Zeitung sieht… aber das war bei Ester die Flusssäure. Ich weiß nicht, ob ihr den Effekt solcher Säuren auf die Haut kennt? Wie sie ein Gesicht entstellen können?«
Moreno wechselte einen Blick mit ihrer Kollegin, die die Stirn runzelte und unsicher schaute. »Flusssäure?«, fragte sie nach.
»Eigentlich heißt sie Fluorwasserstoffsäure… viel schlimmer als Salzsäure, Schwefelsäure oder so. Kriecht sozusagen durch die obersten Schichten der Haut und dringt weit in die Hautschichten
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