Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
zu bekommen war etwas, auf das er gern sein Engagement und seine Energie verwandte. Betty Klingerweijk war zu diesem Zeitpunkt seit mehr als drei Jahren seine Geliebte, und sie war es auch, die an diesem regnerischen Novembersonntag so unglückselig niesen musste.
Es geschah auf der Autobahn zwischen Linzhuisen und Maardam, sie waren auf dem Heimweg nach einer dreitägigen Verkaufsreise in die südlicheren Provinzen, und Traut hatte gerade seine Ehefrau per Handy angerufen, um sich einige Informationen durchgeben zu lassen.
»Was war das?«, fragte die Ehefrau.
»Was meinst du?«, fragte Egon Traut.
»Was da zu hören war. Das klang, als hätte jemand geniest.«
»Äh… ich habe nichts gehört.«
»Du hast doch niemanden bei dir im Auto?«
»Nein. Wieso sollte ich?«
»Das wäre die Frage. Jedenfalls klang das wie eine Frau, die niest.«
»Merkwürdig. Da war vielleicht etwas in der Leitung.«
»In der Leitung? Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass ich richtig gehört habe. Du hast eine andere Frau bei dir im Auto, nicht wahr?«
»Ich schwöre, nein«, sagte Egon Traut.
»Das kenne ich«, entgegnete die Ehefrau. »Aber jetzt interessiert mich das, was ich nicht kenne. Wie heißt sie? Ist es jemand, den ich kenne, oder hast du sie irgendwo aufgegabelt?«
Egon Traut versuchte, einen Gegenzug zu finden, aber in seinem momentan etwas benebelten Hirn tauchte keine gute Idee auf.
»Es ist doch wohl nicht diese vulgäre Schlampe Klingerweijk?«, rief die Ehefrau mit lauter Stimme in den Hörer, damit es auch deutlich zu hören war. Traut warf einen schnellen Blick auf seine Beifahrerin und sah, dass die Botschaft angekommen war.
Verflucht, dachte er. Tod dem Handy-Erfinder.
»Ich versichere dir…«, versicherte er ihr. »Ich bin so allein im Auto wie ein… wie ein Hering in einer Kirche.«
»Ein Hering in einer Kirche? Was quatschst du da? Seit wann sind Heringe in Kirchen zu Hause? Bist du etwa auch noch betrunken?«
»Natürlich nicht. Du weißt, dass ich immer äußerst vorsichtig bin, wenn ich geschäftlich unterwegs bin… und wenn es einen Hering in der Kirche gäbe, dann wäre der doch wohl reichlich allein, oder? Dürfte ich jetzt bitte endlich zur Sache kommen, oder möchtest du noch weitere Beschuldigungen über mich ergießen?«
Das war eine ziemlich elegante Formulierung, und ein paar Sekunden lang blieb es im Hörer still. Aber es war kein entspanntes Schweigen, er konnte ganz deutlich hören, dass sie ihm nicht glaubte. Und aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie Betty Klingerweijk ihn von der Seite her ansah und große Lust zu haben schien, noch einmal zu niesen. Einfach aus reiner Gemeinheit.
»Welche Sache?«, fragte seine Ehefrau.
»Na, deine verrückte Schwester natürlich. In welche Straße ist sie gezogen? Ich bin in fünf Minuten in Maardam.«
Das genügte, um den Fokus des Gesprächs zu verschieben, zumindest für eine Weile. Die Schwägerin war ja überhaupt der Anlass für den Anruf gewesen, und es war gar keine Frage, dass er sich damit in deutlich besseres Licht rückte. Seine Gattin hatte ihn schließlich immer wieder bekniet, er solle dort einmal vorbeischauen und kontrollieren, wie es ihr denn ginge, wenn er sowieso durch Maardam käme. Die Schwester war seit einem Monat nicht mehr ans Telefon gegangen, es musste ihr etwas zugestoßen sein.
Klar wie Kloßbrühe, und Blut ist dicker als Wasser.
Sie hatten das Ganze ziemlich umständlich am Donnerstagmorgen besprochen, bevor er losgefahren war, aber er hatte seiner Frau kein direkt bindendes Versprechen gegeben. Jedenfalls nicht, soweit er sich erinnern konnte. Dass er jetzt also anrief und sich bereit erklärte, musste ja wohl als eine gute, mitmenschliche Tat angesehen werden. Er war bereit, sich die Mühe zu machen, bei der Wohnung der verrückten Schwägerin vorbeizufahren und die Lage zu sondieren, war das etwa kein Beweis dafür, wie hoch er seine Frau und ihr Zusammenleben schätzte?
Er sprach das zwar nicht explizit aus, gestand sich aber zu, das leise Summen seiner Ehefrau dahingehend zu interpretieren – während sie höchstwahrscheinlich im Adressbuch suchte – als eine gewisse Anerkennung. Sie brachte zumindest das verfluchte Niesen nicht wieder aufs Tapet.
»Moerckstraat«, sagte sie schließlich. »Moerckstraat sechzehn, weiß der Kuckuck, wo das liegt, da musst du dich wahrscheinlich durchfragen. Und sieh zu, dass du weitere Maßnahmen ergreifst,
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