Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
Ordnung. Der begrüßt mich immer so.«
»Horacio ist ein Problem. Er meint, er kann mit allen umspringen, wie er will, nur weil seine Mutter mit dem Direktor befreundet ist. Aber das stimmt nicht«, sagt Mercurio.
»Danke, dass du mir hilfst, Mercurio. Du hast was gut bei mir.«
»Nun werd mal nicht sentimental, Junge. Los, ab in die Klasse.«
Ich gehe ins Klassenzimmer und setze mich auf meinen Platz. Noch bevor ich die Bücher und Hefte aus dem Rucksack genommen habe, kommt Metáfora herein und setzt sich neben mich.
»Morgen, Arturo«, sagt sie.
»Hallo«, antworte ich schroff.
Schade, dass es keinen freien Tisch mehr gibt. Ich würde lieber alleine sitzen. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass es mir jetzt schwerfällt, jemanden neben mir sitzen zu haben.
»Sie haben mir eben erzählt, warum sie dich so nennen«, sagt sie. »Ich würde es gerne irgendwann mal sehen.«
»Um über mich zu lachen, oder was?«
»Oh nein. Es muss cool aussehen, wenn die Flecken auf deiner Haut einen Buchstaben formen, wie durch Zauberhand. Ich glaube, so was kann sonst keiner …«
»Ja, ja. Du meinst also, ich soll zum Zirkus gehen, stimmt’s?«
Sie schweigt. Ich schätze, meine Antwort hat ihr nicht gefallen. Ich war nicht sehr höflich, aber ich bin so wütend, dass ich nicht mehr weiß, was ich sage.
»Entschuldige, das war nicht nett, aber …«
»Schon gut, schon gut, vergiss es«, erwidert sie spitz.
Die Lehrerin betritt die Klasse und alle stehen auf.
»Heute wollen wir über die Kunst des Schreibens sprechen. Wie denkt ihr darüber?«, beginnt sie.
Niemand meldet sich.
»Schön, dann wollen wir mal sehen, ob Horacio uns erklären kann, was er dazu meint. Komm bitte nach vorn und erzähle uns, welchen Nutzen wir deiner Meinung nach von der Schrift haben.«
Widerwillig geht Horacio an die Tafel.
»Ich glaube, die Schrift bringt uns gar nichts. Lesen ist out. Niemand liest, das ist doch prähistorisch, was aus der Steinzeit. Ein Bild ist mehr wert als tausend Worte.«
»Prähistorisch? Ohne die Schrift würden wir immer noch in Höhlen wohnen.«
»Die Schrift ist eine veraltete Technik«, beharrt Horacio. »Aus dem Mittelalter.«
»Mittelalterlich ist es, so zu denken. Damals war es lebensgefährlich, lesen zu lernen. Und heute, wo jeder lesen kann, weigern sich einige von euch, es zu tun. Wer kann mir etwas Positives über das Lesen und Schreiben sagen?«
Ich bin mit Horacio nicht einer Meinung, aber ich habe keine Lust, mich da einzumischen. Ihm zu widersprechen würde mir nur wieder Ärger einhandeln. Also melde ich mich lieber nicht. Aber ich sehe, dass fast alle die Hand heben, um zu zeigen, dass sie ihm zustimmen.
»Ich glaube, dass Horacio sich irrt«, sagt Metáfora und steht auf. »Schreiben ist keine veraltete Technik. Es ist das Modernste, was es gibt. Außerdem finde ich, dass ein Bild nicht mehr wert ist als tausend Worte. Es ist genau anders herum: Ein guter Satz ist mehr wert als tausend Bilder!«
»Ja, wie das Gesicht vom Drachenkopf!«, lacht Horacio. »Er hat nämlich einen Buchstaben im Gesicht! Moderner geht’s nicht!«
»Wenn du ihn noch einmal so nennst, kannst du den Rest der Stunde im Büro des Direktors verbringen«, verwarnt ihn die Lehrerin scharf. »Ich habe gesagt, ich dulde es nicht, dass irgendjemand einen anderen tyrannisiert oder nicht respektiert. Ist das klar?«
»Ja, Señorita.«
»Setz dich wieder auf deinen Platz, Horacio. Und vielen Dank für deine Mitarbeit«, fügt Norma noch hinzu.
Während die anderen noch über die Bedeutung der Schrift diskutieren, schreibe ich etwas auf einen Zettel und schiebe ihn unauffällig zu Metáfora hinüber: Danke.
XI
Die Belagerung
D ie Kavallerie kam im Morgengrauen. An ihrer Spitze ritten die Standartenträger mit dem Wappen von König Benicius: ein Helm mit Visier und königlicher Krone. Eine schlichte Wappenzeichnung, weiß auf blauem Grund.
Die Vorhut, bestehend aus hundert Reitern, hetzte die Bauern und Landarbeiter, die versuchten, sich in Morfidios Festung zu flüchten. Immer wieder gab es kurze Scharmützel, bei denen etliche Dorfbewohner von den Angreifern gefangen genommen wurden.
Unter der Bevölkerung verbreiteten sich Angst und Schrecken, die Bewohner der angrenzenden Dörfer versteckten sich vorsichtshalber in den Wäldern und dem nahen Felsengebirge. Lieber kämpften sie gegen Hunger und Kälte an, als sich der Armee von Arco de Benicius entgegenzustellen. Wenn schon die Kavallerie keine Rücksicht
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