Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
sehr verblüfft. Aus Angst, die Behörden könnten es beschlagnahmen, beschloss ich, es zu verstecken. Es war Mahania, die auf die Idee kam, es Reyna mit ins Grab zu legen.«
Mein Vater schweigt eine Weile und reibt sich vor Verlegenheit die Hände. Dann, als Sombra ihm aufmunternd zunickt, fährt er mit seinem Bericht fort: »Nachdem wir es geschafft hatten, ihren Leichnam hierherzubringen, ließ ich eine ganze Zeit verstreichen, bevor ich mich entschloss, das Pergament in die Hand zu nehmen und zu untersuchen. Das war der Grund, warum ich so viele Nächte auf Schlaf verzichtet und gearbeitet habe. Ich bin fast verrückt geworden. Der Text ist in einer symbolischen Geheimschrift verfasst, die man so gut wie gar nicht entschlüsseln kann. Ich wollte schon aufgeben, aber dann ist es mir gelungen, einige Worte zu identifizieren. Das ermunterte mich, weiterzumachen und den Text Wort für Wort zu übersetzen.«
»Und was für Worte sind es?«, frage ich.
Er steht auf und geht ein paarmal um seinen Sessel herum. Dann, als hätte er Angst, es auszusprechen, sagt er: »Auferstehung … Unsterblichkeit … Ewiges Leben … Stell dir vor, dieses Pergament enthält die Formel der Unsterblichkeit, nach der die Alchemisten so eifrig gesucht haben! Die Worte der Auferstehung, des ewigen Lebens! Den Stein der Weisen!«
»Aber Papa, das ist doch Unsinn! Ein Hirngespinst! Der Stein der Weisen ist nie gefunden worden und die Formel der Unsterblichkeit hat es nie gegeben«, antworte ich. »Du als moderner Wissenschaftler solltest das wissen!«
»Woher weißt du, dass die Formel nie gefunden wurde? Wer kann mit Sicherheit sagen, dass die Alchemisten keinen Weg entdeckt haben, Tote wieder zum Leben zu erwecken?«
»Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Und das ist der Beweis dafür, dass es die Formel niemals gegeben hat. Sonst wäre man nämlich irgendwann darauf gestoßen«, argumentiere ich.
»Wir leben in turbulenten Zeiten«, sagt mein Vater. »Es ist nicht leicht, die Wahrheit herauszufinden. Durch meine Arbeit habe ich erkannt, dass unsere Welt viele Geheimnisse birgt. Wenn ich dieses Pergament vollständig entschlüsseln kann, wird es vielleicht möglich sein, deine Mutter ins Leben zurückzuholen!«
»Was redest du da, Papa! Bist du total verrückt geworden? Glaubst du wirklich, dass Mama von den Toten auferstehen kann?«
»Sag nicht, du hättest dir nicht manchmal gewünscht, dass sie lebt und du mit ihr sprechen kannst! Sag nicht, du hättest nicht schon mal davon geträumt! Sag nicht, du würdest nicht alles dafür geben, sie bei dir zu haben und ihre Hände und ihr Haar zu streicheln! Ihre Stimme zu hören, ihren Atem zu spüren …«
»Natürlich würde ich mein Leben geben, um sie bei mir zu haben und sie berühren zu können! Aber ich weiß, dass das nicht geht. Ich weiß, dass das nie geschehen wird und ich mich damit begnügen muss, mit ihrem Bild zu sprechen oder sie in meinen Träumen zu sehen.«
»Und wenn ich sie wieder zum Leben erwecke? Wenn ich es schaffe, sie in diese Welt zurückzuholen?«
»Wie willst du das machen? Durch Zauberei? Es gibt keine Magie, Papa!«
»Du täuschst dich! Wir sind gerade dabei, die Worte, die auf dem Pergament stehen und den Toten das Leben wiedergeben, auf den Sarkophag zu schreiben. Die Arbeit ist mühevoll und geht nur langsam voran, aber wir schaffen es! Ich versichere dir, der Text des Pergaments enthält die magischen Sätze, die Tote auferstehen lassen!«
Ich bin völlig sprachlos und weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Habe ich meinen Vater richtig verstanden? Hat er wirklich gesagt, dass er meine Mutter zum Leben erwecken kann?
»Und Norma? Was meinst du, wie sie reagieren wird, wenn sie erfährt, dass du Mama immer noch liebst und dass du die letzten Jahre wie wahnsinnig daran gearbeitet hast, sie in diese Welt zurückzuholen?«, frage ich und sehe ihm dabei direkt in die Augen. »Was wird sie sagen, Papa?«
»Ich habe es ihr schon erzählt«, murmelt mein Vater.
»Waaaas? Du hast ihr erzählt, dass du Mama zum Leben erwecken willst? Und was hat sie gesagt?«
»Sie findet es in Ordnung.«
»Sie hat bestimmt gedacht, du tickst nicht mehr richtig.«
»Nein, sie hat gesagt, sie möchte daran mitarbeiten.«
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.
Oder vielleicht doch? Langsam wird mir klar, dass die ganzen Widersprüchlichkeiten meines Vaters einen Grund haben. Vielleicht erzählt er mir ja eines Tages die ganze Wahrheit.
Und noch etwas verstehe ich: Mein
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