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Die Schwarze Festung

Die Schwarze Festung

Titel: Die Schwarze Festung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufgenommen hatte. Einiges hatte sie weggelassen. Sie hatte zwar erzählt, daß sie ein halbes Jahrhundert im künstlichen Winterschlaf verbracht hatte, aber sie hatte wohlweislich nicht gesagt, daß sie von Stone dazu gezwungen worden war. Und sie war auch sehr froh, daß keiner der Männer und Frauen eine Frage nach Gurks ungewöhnlichem Aussehen gestellt hatte. Gleichgültig, was sie sagten oder taten – für diese Leute waren sie Götter, und sie wollte nicht, daß sie im Moment schon begriffen, daß auch die Götter ebenso uneins und zerstritten waren wie vielleicht auch sie manchmal. »Es ist also alles wahr«, sagte Stark noch einmal. Er sah Charity an, aber sein Blick schien geradewegs durch sie hindurchzugehen, und in seiner Stimme war ein bitterer Klang, den sie im allerersten Moment nicht verstand. »Die Geschichten, die mir mein Vater erzählt hat. Es gibt eine Welt, die ... größer ist als unsere hier. Ohne Spinnen und ohne die Raubzüge.« »Ja«, antwortete Charity leise. »Es gibt die Erde. Meine Freunde und ich kommen von dort. Und wir sind weder Götter noch Geister und irgendwelche Überwesen. Wir sind Menschen wie Sie.« Stark sah erst sie, dann French an, und Charity fügte hastig hinzu: »Was French erzählt hat, ist die Wahrheit. Trotzdem sind wir nicht unsterblich. Nicht einmal unverwundbar. Es war ...« Sie suchte einen Moment nach Worten. »Ein Phänomen. Etwas, das wir selbst nicht richtig verstehen.« Der Ausdruck auf Starks Gesicht wurde eher noch hilfloser, und Charity begriff, wie wenig er mit diesen Worten anfangen konnte Aber wie sollte sie ihm etwas erklären, das sie selbst nicht genau verstand? Niedergeschlagen und von einem Gefühl der Hilflosigkeit ergriffen, löste sie ihren Blick vom Gesicht des alten, grauhaarigen Mannes und sah sich um. Sie begriff erst jetzt, was Frenchs Hort wirklich war. Was sie für einen Teil der Orbit-Stadt gehalten hatte, auf den sich der Machtbereich der Moroni aus irgendeinem Grund nicht erstreckte, das war kein Teil der Orbit-Stadt, sondern die vierzig Meter lange Ladebucht des Space Shuttles. Eine große Tunnelröhre, in der mehr als ein Dutzend Menschen seit zwei Generationen lebten, Kinder zeugten und starben und in der jeder Tag ein neuer Kampf ums nackte Überleben war. Sie versuchte sich vorzustellen, wie das Leben dieser Handvoll Männer und Frauen ausgesehen hatte, aber ihre Phantasie kapitulierte vor dieser Aufgabe. Es mußte die reinste Hölle sein. Ein ganzes Leben eingesperrt in einem vierzig Meter langen Sarg aus graugewordenem Eisen, eine Welt ohne Morgen und Abend, ohne Jahreszeiten, ein Leben, in dem sich ein Tag an den anderen reihte, ohne irgendeine Möglichkeit, das Verstreichen der Zeit zu registrieren; lediglich die Raubzüge in die Orbit-Stadt boten eine Unterbrechung der täglichen Monotonie. Raubzüge, von denen nur zu viele nicht mehr zurückkehrten. Es erschien ihr für einen Augenblick geradezu unvorstellbar, daß Menschen unter diesen Bedingungen überhaupt überleben konnten. Charity war plötzlich sicher, hätte sie mehr Zeit gehabt, sich mit der Lebensweise von Frenchs Brüdern und Schwestern zu beschäftigen, hätte sie rasch festgestellt, daß die hier entstandene Kultur kaum weniger fremdartig war als die der Moroni oder irgendeines anderen Volkes, das auf einem x-beliebigen Planeten der Galaxis leben mochte. Und es waren solche Momente, die immer wieder begreifen ließen, was die Invasoren von den Sternen den Menschen wirklich angetan hatten. Was zählte, das waren nicht die Millionen und Abermillionen, die gestorben oder vielleicht nie geboren worden waren. Ungleich schlimmer war das, was sie den Überlebenden angetan hatten. Ein Leben, das sich kaum mehr von dem wilder Tiere unterschied, die vom Tag ihrer Geburt an auf der Flucht waren und es blieben, bis sie starben. Sie dachte an Net und die Wasteländer, an Skudders ehemalige Bande, die Sharks, sie dachte an die sich frei wähnenden und doch gefangenen Bewohner von Paris und an die Jared. Und sie begriff, selbst wenn ihr Kampf Erfolg haben sollte, würde es nie wieder so werden, wie es gewesen war. Selbst wenn es ihnen gelang, die Bombe zu entschärfen, deren Zeitzünder kaum hundert Meter von ihnen entfernt tickte, selbst wenn es ihnen gelang, die Invasoren von Moron dorthin zurückzujagen, wo sie hergekommen waren – die Welt, wie sie sie kannte, war auf immer verloren. Stark sah Charity plötzlich an, und zum ersten Mal stahl sich so etwas

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