Die Schwarze Festung
wie ein Lächeln in seine sonderbaren Züge. Bevor er etwas sagen konnte, hob Charity die Hand und machte eine befehlende, knappe Geste. »Ich kann mir vorstellen, wie ihr euch fühlt«, sagte sie. »Wahrscheinlich habt ihr tausend Fragen. Ich werde sie euch alle beantworten, aber nicht jetzt. Es ... bleibt nicht mehr viel Zeit.« Sie sah aus den Augenwinkeln, wie Skudder überrascht die Stirn runzelte, während Stone mit hängenden Schultern dahockte und einfach ins Leere starrte. Sie war nicht einmal sicher, ob er ihre Worte überhaupt gehört hatte. »Sie bringen uns zur Erde?« fragte Stark. Vielleicht, dachte Charity. Sie spürte, daß sie schon wieder zu lange gezögert und den richtigen Moment verpaßt hatte, um ihre Antwort, gleichgültig, wie sie ausfiel, wirklich glaubhaft klingen zu lassen. Doch bevor sie endlich antworten konnte, berührte sie etwas am Arm. Sie senkte den Blick und sah in das Gesicht eines kleinen Kindes; sein genaues Alter oder sein Geschlecht vermochte sie aus der bleichen Totenkopfmaske seines Antlitzes nicht herauszulesen. »Ist das wahr?« fragte das Kind. »Ihr bringt uns nach Hause?« Etwas in Charity zog sich zusammen wie unter der Berührung eines glühenden Drahtes. Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, und versuchte zu lächeln. »Ja«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Das müssen wir wohl.« Sowohl Skudder als auch Gurk blickten sie erstaunt an, und zumindest Stark schien die Wahl ihrer Worte sehr wohl aufgefallen zu sein, denn in den Sturm von Gefühlen, der sich auf seinem Gesicht und in seinen Augen spiegelte, mischte sich wieder Erschrecken. Er sagte jedoch nichts. Charity stand mit einem Ruck auf, fuhr sich mit einer fast zornig aussehenden Bewegung über die Augen und sah sich auffordernd um. »Gibt es einen Ort, an dem wir allein miteinander reden können?« fragte sie. Allein die Tatsache, daß sie diese Frage laut und vor aller Ohren stellte, machte ein Gespräch unter vier Augen schon fast wieder überflüssig. Trotzdem nickte Stark, erhob sich ebenfalls und deutete nach vorn, wo sich der Durchgang zur Steuerkanzel und den eigentlichen Passagierbereichen des Shuttles befand. French wollte ihnen folgen. Stark gab ihm mit einer befehlenden Geste zu verstehen, zurückzubleiben, aber Charity bat ihn, mitzukommen, und nach kurzem Zögern stimmte Stark zu. Die Luftschleuse, die die ehemalige Ladebucht mit den vorderen Teilen des Space Shuttles verband, war entfernt worden, und Charity bemerkte im Vorübergehen, daß einer von Starks Vorfahren umsichtig genug gewesen war, den Öffnungsmechanismus des Frachtraumes nicht nur völlig unbrauchbar zu machen, sondern die beiden gewaltigen Torflügel auch an einem Dutzend Stellen miteinander zu verschweißen. Sie gingen durch einen kurzen Verbindungsgang, der einmal zwei Türen gehabt hatte, die jedoch entfernt und durch Vorhänge aus undurchsichtiger schwarzer Plastikfolie ersetzt worden waren. Dicht hinter Stark betrat sie das Cockpit der Maschine und verschwendete fünf oder sechs weitere kostbare Sekunden darauf, sich umzusehen. Sie hatte schon geahnt, was sie vorfinden würde. Sämtliche Fenster waren mit Platten aus Eisen verschweißt. Der allergrößte Teil der Instrumente war verschwunden, und Charity fiel auf, daß bei dem übriggebliebenen Rest sorgfältig alles Glas entfernt worden war; wahrscheinlich hatten Starks Leute es benötigt, um irgendwelche Werkzeuge daraus herzustellen. Sie mußte sich immer wieder vor Augen führen, daß diese Menschen hier zwar im Inneren eines der modernsten Fahrzeuge lebten, das irdische Technologie jemals erschaffen hatte, sich ihre Kultur trotzdem aber auf einem steinzeitlichen Niveau befand; Jäger und Sammler im Weltall. Stark ließ sich in einer ganz selbstverständlichen Bewegung auf den Pilotensessel sinken und stand dann erschrocken wieder auf, aber Charity winkte ab. Sie wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu, denn Skudder, der hinter ihr gebückt durch die niedrige Cockpit-Tür getreten war, ergriff sie plötzlich am Arm und zerrte sie fast mit Gewalt herum. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, daß Stark überrascht die Stirn runzelte. »Bist du völlig verrückt?« schnappte Skudder. »Was ist in dich gefahren, hier den Messias zu spielen? Wir haben im Moment wirklich wichtigeres zu tun, als diesen ... diesen ...« Er suchte einen Moment nach Worten, und Charity half ihm mit einem Lächeln aus, das ungefähr so warm wie ein Würfel aus
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