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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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der Bausubstanz entstanden war. Aber wider alle Erwartungen stellte man fest, daß Haupt- und Vierungsturm nicht reparaturbedürftig waren. Und vor ungefähr vierzig Jahren ergaben Untersuchungen, daß beide Türme irgendwann zwischen 1600 und 1660 sehr geschickt und effektiv verstärkt worden waren. Aber es existiert kein Protokoll über diese Arbeit.«
    »Warum ist der Turm dann gesperrt?«
    »Dort oben befindet sich eine alte Maschine, die jedem, der sie anfaßt, gefährlich werden könnte.«
    Ich war fasziniert. Im Gerichtsprotokoll über den Tod des alten Limbrick war von einer »Erfindung« die Rede, und als ich an die Worte der Inschrift dachte, kam mir plötzlich eine Idee. »Alle Dinge drehen sich im Kreise«, hieß es da, »und der Mensch, der zur Arbeit geboren ist, dreht sich mit ihnen.«
    »Was ist das für eine Maschine?«
    »Das kann keiner sagen.«
    »Nicht einmal Bulmer?« fragte ich mit einem Lächeln. »Er mußte zugeben, daß er auch keine Ahnung hat.«
    »Versteht er viel vom Bau von Kathedralen?«
    »Nicht sehr viel, ehrlich gesagt. Er ist sicher ein guter Ingenieur. Bevor er vom Domkapitel eingestellt wurde, hat er Brücken gebaut.«
    »Hat sie ein großes Rad?« Er starrte mich an, als ob ich nicht ganz richtig im Kopf sei. »Die Maschine oben im Turm. Ist ein riesiges Rad an ihr befestigt?«
    »Wie das Tretrad im Gefängnis?« fragte er.
    Ich lächelte. »Genau. Nur nicht ganz so groß; etwas über Mannshöhe.«
    »Ich muß zugeben, daß ich noch nie dort oben war. Für große Höhen habe ich nicht viel übrig. Aber ich glaube, sie hat ein Rad.«
    Ich meinte zu wissen, worum es sich handelte, und wenn ich recht hatte, würde dadurch eine ganze Reihe von Teilen des Puzzlespiels ihren Platz finden. Es war jedoch ganz offensichtlich, daß ich den Architekten derart verärgert hatte, daß er mir auf gar keinen Fall gestatten würde, auf den Turm zu steigen.
    In diesem Augenblick kam Dr. Carpenter zu uns herüber. »Die Männer vom Bestattungsinstitut werden in Kürze eintreffen. Ich werde den Toten in die Leichenhalle bringen lassen.«
    »Ich habe die Behörden schon unterrichtet«, antwortete der Domkustos. »Außerdem nehme ich an, daß es eine gerichtliche Untersuchung geben wird.«
    »Apropos«, wandte sich der Doktor an mich. »Wußten Sie, daß die Untersuchung im Fall Stonex heute nachmittag stattfinden soll?«
    »Eine fürchterliche Geschichte.« Dr. Sisterson schüttelte den Kopf. »Es tut mir so leid, daß Sie ohne Ihre Schuld darin verwickelt wurden, Dr. Courtine.«
    Ich dankte ihm für sein Mitgefühl und drehte mich zu dem Arzt um. »Das habe ich noch nicht gewußt. Obwohl der Major ja angekündigt hat, daß es vermutlich schon heute sein würde.«
    »In der Zunfthalle um zwei«, sagte er. »Ich nehme an, daß Sie bereits wissen, daß die Polizei in Perkins Haus versteckte Banknoten gefunden hat?«
    »Dann steht seine Schuld wohl außer Zweifel.«
    »Wahrscheinlich«, gab er zurück und wandte sich an den Domkustos. »Was soll ich damit machen?« Er hielt eine Handvoll Schlüssel in die Höhe.
    »Haben Sie die an dem Toten gefunden?« fragte ich.
    »Daneben«, antwortete Dr. Carpenter. »Ich werde sie Dr. Locard geben«, sagte der Domkustos, und der Arzt reichte sie ihm. Ich stellte fest, daß es sich um zwei Sätze Schlüssel handelte, beide an einem Metallring. »Als Bibliothekar bewahrt er alle derartigen Dinge auf.«
    »Es wundert mich, daß er nicht hier ist«, meinte ich. »Es wurde natürlich sofort nach ihm geschickt, als diese unglückselige Entdeckung gemacht wurde, aber er hat offensichtlich etwas anderes zu tun.«
    »Ich weiß aber, daß er ein lebhaftes Interesse an dieser Geschichte hat«, sagte ich. »Er wird sehr erfreut sein, wenn er erfährt, daß das Geheimnis gelüftet ist.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, wandte Dr. Carpenter ein. »Sagen Sie, Dr. Courtine, was ist Ihrer Ansicht nach in jener Nacht genau passiert?«
    »Burgoyne wurde dadurch getötet, daß Gambrill das Gerüst über ihm zum Einsturz brachte – möglicherweise mit Limbricks Hilfe. Aber dann wurde er selbst von seinem Stellvertreter überwältigt und hier oben eingemauert.«
    »Er hat die Marmorplatte ganz allein auf ihren Platz gehievt?« fragte Dr. Sisterson kopfschüttelnd.
    »Ja, das ist denkbar.« Ich wollte meine Theorie nicht erklären, bevor ich den Beweis dafür hatte.
    »Das klingt alles sehr überzeugend«, sagte Dr. Carpenter. »Aber leider gehen Sie von falschen Voraussetzungen

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