Die schwarze Kathedrale
gearbeitet, als ich das Trampeln eiliger Füße auf der Treppe hörte. Ich fand gerade noch Zeit, das Manuskript unter einen der Folianten zu schieben, die auf dem Tisch lagen, dann kam auch schon Pomerance hereingestürmt. »Sie haben eine Leiche gefunden!« brüllte er. »Sie haben eine Leiche gefunden!«
»Lieber Gott!« rief ich aus und sprang auf die Füße. »Wer ist es denn diesmal?«
Ein ganzer Schwall von Möglichkeiten schwirrte mir durch den Kopf. Ich hatte eine bizarre Vision von Mrs. Bubbosh, die, mit einem Geschirrtuch erstickt, am Boden lag, gefolgt von einem Bild von Austin, der mit durchschnittener Kehle ausgestreckt auf dem Rücken lag, ein Rasiermesser neben sich.
»In der Kathedrale«, keuchte er. »Ich geh es mir anschauen.« In der Kathedrale! Was hatte das zu bedeuten?
Pomerance drehte auf dem Absatz um und stürzte wieder zur Treppe.
»Warten Sie einen Moment!« rief ich ihm nach.
»Ich kann nicht!« schrie er über die Schulter zurück. »Ich bin nur gekommen, weil Quitregard es mir aufgetragen hat.« Er rannte wieder die Treppe hinunter.
Ich folgte ihm bestürzt und nahm mir gerade noch Zeit, Hut und Mantel anzulegen. Schon sah ich den jungen Mann durch die Eingangstür entschwinden, und als ich hinaustrat, fand ich Quitregard auf den Stufen vor. Er hatte keinen Mantel an und spähte zur Kathedrale hinüber. »Ich würde weiß Gott was dafür geben, wenn ich auch hingehen könnte«, sagte er. »Aber ich darf die Bibliothek nicht unbewacht lassen.«
»Was ist das nun wieder für ein neuer Schrecken?« fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung«, jammerte er. »Bitte kommen Sie wieder und erzählen Sie es mir.«
»Das werde ich ganz bestimmt tun«, versicherte ich und eilte über den Domplatz zum südlichen Querschiff, wo ich einige Leute vor dem Portal stehen sah, der einzigen Tür, die zu dieser Tageszeit geöffnet war. Ein Polizeibeamter und einer der Hilfsküster hinderten sie daran, hineinzugehen. Ich entdeckte Pomerance unter den Zuschauern, und er sah mir begierig entgegen, als ob ich ihm Zutritt verschaffen könnte. Ich erkannte den Polizisten als einen der beiden Beamten, die am vergangenen Abend Perkins zum Haus von Mr. Stonex gebracht hatten, und als er mich sah, grüßte er und trat zur Seite, um mich vorbeizulassen, als hätte ich einen besonderen Anspruch auf Zutritt zu Leichen.
Unter dem Vierungsturm befand sich eine Gruppe von Männern. Als ich näher kam, sah ich, daß sie unter dem Burgoyne-Gedenkstein standen, an dessen Stelle ein Loch in der ausgehöhlten Ziegelwand gähnte, halb verdeckt von einem Gerüst. Davor lagen ein Flaschenzug und Seile, und die riesige Marmorplatte, die der sichtbare Teil des Monuments gewesen war, lehnte an der Wand. Ich entdeckte meinen alten Freund, den ersten Küster Gazzard in einiger Entfernung von den anderen, und ging zu ihm hinüber. Er begrüßte mich mit bekümmerter Höflichkeit, und ich fragte ihn, was hier vorgehe.
»Nun ja, sie haben festgestellt, daß der Gestank von dort oben kommt, und deshalb haben sie heute früh angefangen, das Monument zu öffnen.«
»Als der Fußboden nachgab, muß dadurch das Mauerwerk erschüttert worden und die Versiegelung undicht geworden sein.«
Er zuckte die Achseln. »Sowie sie die ersten Ziegel entfernt hatten, wurde der Gestank unerträglich.«
»Das verstehe ich nicht. Es ist doch nur ein Gedenkstein und kein Grab.«
»Sie haben jedenfalls die Ursache für den Geruch gefunden. Da drüben liegt sie. Und keine zehn Pferde bringen mich auch nur einen Schritt näher dorthin, Sir.«
Ich dankte ihm und ging ein Stück näher an die Gruppe heran. Zwei der Männer waren, wie ich jetzt sah, Dr. Carpenter und Dr. Sisterson. Den dritten kannte ich nicht. Zum zweiten Mal in ebenso vielen Tagen sah ich den jungen Arzt über eine Leiche gebeugt. Es handelte sich wohl um einen sehr alten Mann. Das Gesicht war verschrumpelt, die Lippen waren grimassenhaft eingetrocknet und gaben die Zähne frei, und der Körper war so zusammengeschrumpft, daß er für einen erwachsenen Mann zu klein erschien. Ich bemerkte, daß er altertümliche Leinenunterwäsche trug. Plötzlich fielen mir die Worte der Inschrift ein: »Denn wenn die Erde erbebt und die Türme erzittern, wird das Grab sein Geheimnis preisgeben, und alles wird offenbar werden.«
»Treten Sie gefälligst zurück«, sagte der Fremde zu mir.
Dr. Sisterson jedoch sah auf und erklärte fröhlich: »Aber ich kenne diesen Herrn.« Er kam zu mir herüber, um
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