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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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meinen Rat oder meine Hilfe in irgendeiner Sache brauchte, und nach dem, was ich gerade im Dom gehört hatte, glaubte ich, einen Anhaltspunkt zu haben, worum es sich handeln könnte. Ich wollte ihm Gelegenheit geben, sich auszusprechen. »Ist an der Schule alles in Ordnung?«
    »Warum fragst du?«
    »Ach, mir ist zu Ohren gekommen, daß es da Differenzen gibt.«
    Er starrte mich mit plötzlicher Intensität an. »Was meinst du? Wer kann dir so was erzählt haben?«
    Ich wünschte schon wieder, ich hätte nichts gesagt. »Der alte Mann, der Küster, erwähnte irgendwelche Schwierigkeiten.«
    »Gazzard? Warum in aller Welt bildest du dir ein, daß er etwas wissen könnte?« Er starrte mich wütend an. »Es wäre besser, wenn die Leute sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern würden. Gazzard ist ein schwatzhaftes altes Weib; und die meisten von den Domherren auch. Sie verbringen ihre Zeit damit, boshafte Lügen zu verbreiten, und zwar übereinander und über jeden anderen auch, der das Pech hat, mit ihnen zu tun zu haben.«
    »Was für Lügen?« fragte ich. »Das kannst du dir sicher vorstellen.« Er wandte sich ab, und ich sah, daß er von dem Thema genug hatte. Ich erinnerte mich, wie sehr es ihn immer irritiert hatte, wenn ich mich bemüht hatte, einer Sache auf den Grund zu gehen, um ihr eine neue Perspektive abzugewinnen. Für Austin war eine Tatsache eine Tatsache, und das war alles, was es dazu zu sagen gab. Er stand auf. »Gehen wir hinauf. Ich habe oben eingeheizt.«
    Als wir durch die Halle gingen, bemerkte ich ein Päckchen, das an der Wand gegenüber der Tür lehnte. Ich war ganz sicher, daß es vorher nicht dagewesen war. Austin hob es auf. »Wie ist das dort hingekommen?« fragte ich.
    »Wie meinst du das?« erwiderte er schnell. »Ich habe es vor dem Abendessen dort hingelegt, damit ich daran denke, es hinaufzutragen.«
    Wir gingen wortlos die Treppe hinauf und fanden im Wohnzimmer ein prasselndes Feuer vor. Ich setzte mich vor den Kamin, Austin legte das Päckchen auf den Fußboden neben den zweiten Sessel und zündete ein paar Kerzen an. Dann öffnete er eine Flasche recht guten Portwein und füllte zwei Gläser.
    Es war wie in alten Zeiten, und ich mußte so sehr daran denken, wie alles hätte werden können, daß ich mich zu der Frage hinreißen ließ: »Weißt du noch, wie wir als Studenten immer davon geredet haben, daß wir eines Tages Fellows am gleichen College sein würden?«
    Er schüttelte den Kopf. »So, haben wir das?«
    »Wie begeistert wir von dem Gedanken waren, uns ganz dem Geistesleben zu widmen.«
    Er lächelte sarkastisch. »Ich nehme an, du glaubst, daß das nur in einem College in Cambridge möglich ist, oder vielleicht gerade noch in Oxford?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Ich nehme zum Beispiel an, daß die Domherren intelligente Leute sind …«
    »Die Domherren!« fiel er mir ins Wort. »Ich versuche so wenig wie möglich mit ihnen zu schaffen zu haben. Es sind fast ausnahmslos Leute mit sehr begrenzten Fähigkeiten. Darum sind die meisten von ihnen auch so besessen von Äußerlichkeiten – Weihrauch, Ornate, Kerzen und Prozessionen. Die Kirche ist voll von solchen Männern, genau wie die Universitäten. Leute ohne Gefühlsleben, die in intellektueller Hinsicht kühn sind, was ja keine große Kunst ist, aber emotional furchtsam.«
    »Ich habe gehört, daß das Domkapitel enorm unter den üblichen Konflikten zwischen Ritualisten und Evangelisten leidet«, warf ich ein und achtete dabei sorgfältig darauf, Gazzards Namen nicht zu nennen.
    »Genau das ist der Hintergrund für den Streit um die Arbeiten an der Kathedrale«, sagte er und nickte. »Für manche ist sie nichts als eine schöne alte Hülle, die sie unverändert erhalten wollen, weil sie für sie jenseits von ihrer materiellen Existenz keine weitere Bedeutung hat.«
    Ich lächelte, um meinen Unmut zu verbergen. »Muß jemand, der alte Kirchen liebt, denn unbedingt ein Ungläubiger sein?«
    »Ich spreche von Leuten, die heutzutage eine Religion aus Dingen gemacht haben, die nur am Rande oder gar nicht zum Christentum gehören: Musik, Geschichte, Kunst, Literatur.«
    Er sprach mit solchem Ressentiment, daß ich das Bedürfnis hatte, meinen Standpunkt darzulegen, obwohl eine Auseinandersetzung mit ihm das letzte war, was ich mir wünschte. »Ich für meinen Teil halte an der moralischen Bedeutung von Kunstwerken wie der Kathedrale fest, trenne sie jedoch vom Ballast des Aberglaubens.«
    Er hatte sich quer in seinen

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