Die Schwarze Schwesternschaft
hör mal zu… «, begann Jaelle.
»Hört auf! Alle beide!«, befahl Camilla. »Wenn wir schon hier herumtrödeln, weil wir uns nicht entscheiden können, was wir tun sollen, lasst uns die Zeit für etwas Praktisches nutzen. Vanessa, packe das Korn aus. Wir werden die Tiere füttern. Sollten wir schließlich doch den Pass überqueren, sind sie wenigstens gut genährt. Jaelle, bist du schon einmal über den Ravensmark-Pass gegangen?«
»Zweimal. In dieser Richtung ist es leichter. Kommt man von Norden herunter, ist man dem Wind stärker ausgesetzt. Aber auch von hier aus ist es nicht gerade ein Picknick. Ich mache mir wirklich Sorgen wegen der ausgespülten Stellen, und mit Schnee im Pass - wäre Vanessa wirklich so erfahren, wie sie behauptet, würde sie es auch nicht leicht nehmen.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich es leicht nehme«, schimpfte Vanessa, »aber ich bin der Meinung, je schlimmer es ist, desto vernünftiger wäre es, den Pass hinter uns zu bringen, bevor der Schnee tiefer wird. Sollte Jaelle die Führung nicht gern übernehmen, werde ich es versuchen.«
»Ich kenne den Weg, du nicht«, erwiderte Jaelle. »Kann er überhaupt begangen werden, werde ich führen. Ich zweifle gar nicht daran, dass ich allein und zu Fuß hinüberkäme. Die Chervines schaffen es, das ist schließlich ihre Art von Terrain. Und die Ponys werden es wahrscheinlich schaffen. Aber ich sage euch, diese Simse sind schmal. Auch bei bestem Wetter überquert man den Ravensmark-Pass nicht im Sattel. Der Scaravel sieht daneben wie die Große Nordstraße aus. Bei gutem Wetter würde ich es trotz der weggespülten Stellen versuchen. Aber wenn wir strengen Frost bekommen und sich glattes Eis bildet - ich bin schließlich keine Selbstmörderin, und ich kann mir nicht vorstellen, dass du eine bist.«
»So schlimm ist es?« Vanessa sah Jaelle schweigend eine Minute lang an. Als sie dann sprach, enthielt ihre Stimme zu Magdas Erleichterung keine Spur von Aggressivität mehr.
»Was schlägst du vor? Wenn das Risiko so groß ist, welche andere Möglichkeit haben wir?«
Jaelle dachte kurz nach. Den Blick auf das dichter werdende Schneetreiben gerichtet, antwortete sie: »Wenn wir den Pass nicht heute Abend überqueren, ist er wahrscheinlich bis zum nächsten Frühlingstauwetter überhaupt nicht mehr passierbar. Deshalb ist er der am wenigsten benutzte Pass in den Kilghardbergen. Haben sich diese Simse einmal mit glattem Eis überzogen, würde ich sie nicht für alles Kupfer in Zandrus Grabmal begehen. Uns bleibt nichts übrig, als umzukehren und den Umweg über Hammerfell zu machen.«
»Können wir es heute Abend tun?«
»Bei Tageslicht würde ich es mir zutrauen«, meinte Jaelle, »obwohl ich die Pferde dann wohl eins nach dem anderen hinüberführen müsste. Wenn du Erfahrung im Bergsteigen hast, könntest du es wohl auch. Und bei Camilla bin ich mir sicher. Nicht bei Magda, aber sie ist mit mir mitten im Winter über den Scaravel gegangen, und ich war ihr keine Hilfe, nicht einmal, als die Banshees uns fanden. Aber… « Sie drehte sich um und sah die noch übrige Frau an.
Cholayna blickte Jaelle gerade in die Augen. »Ich fürchte mich nicht.«
»Das hat nichts damit zu tun. Ich zweifle nicht an deinem Mut. Es geht um Gleichgewichtssinn, deine Geschicklichkeit, deine Anpassungsfähigkeit an große Höhen. Magda leidet in großer Höhe sehr, aber sie weiß, dass es mir nichts ausmacht, und deshalb befolgt sie meine Befehle. Was ist mit dir? Der Ravensmark-Pass ist der schrecklichste Weg, den du dir vorstellen kannst, und noch etwas schrecklicher. Vanessa hat zu ihrem Vergnügen Klettertouren gemacht, deshalb wird sie nicht in Panik geraten, wenn das Terrain schwierig wird - und glaub mir, es ist so schwierig, dass ich selbst Angst habe, was nicht meine Gewohnheit ist. Verlierst du an der engsten Stelle auf diesen Steigen die Nerven - was dann? Wir könnten nicht umkehren und zurückgehen. Haben wir die Hälfte hinter uns, ist es zu spät. Wir werden den Umweg machen müssen. Ich bin einfach nicht sicher, ob du es schaffen wirst, und ich will nicht unser aller Leben von deinen Nerven abhängig machen.«
Cholayna öffnete den Mund zum Protest und schloss ihn wieder. Endlich sagte sie: »Das sehe ich ein. Ich bin das schwache Glied. Möchtest du, dass ich umkehre und euch anderen weiterziehen lasse? Denn aus deinen Worten geht hervor, dass ihr ohne mich hinüberkommen werdet.
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