Die Schwarze Schwesternschaft
Und wenn wir alle den Umweg machen, dann ist die Chance nicht groß, dass wir Rafaella noch rechtzeitig einholen - richtig?«
»Nehmen wir den Weg über Hammerfell«, erklärte Camilla, »bezweifle ich, ob wir sie auf dieser Seite von Nevarsin noch erwischen.«
»Und wenn wir… wenn ihr weitergeht, habt ihr eine gute Chance?«
»Eine Chance«, berichtigte Jaelle, »keine gute Chance. Andererseits, wenn ich unser aller Leben aufs Spiel setze und euch über den Ravensmark-Pass führe, können wir sie immer noch verpassen. Ich weiß nicht, ob eine so kleine Chance das wert ist. Ich bin keine Spielerin - bin es nie gewesen.«
»Denk einmal nicht an mich«, bat Cholayna. »Was möchtest du tun?«
Jaelle fuhr zornig auf sie los: »Das ist keine faire Frage! Wie kann ich nicht an dich denken? Du bist hier! Glaubst du, ich will deinen Tod auf mein Gewissen laden?«
»Ich hätte nicht mitkommen sollen, nicht wahr?«
»Es ist zu spät, darüber nachzudenken«, sagte Camilla, als Jaelle, zu höflich, um zu antworten, zögerte. »Geschehen ist geschehen. Würden wir dich allein zurückschicken, wäre das ebenso gefährlich, als wenn wir dich über den Pass zerren, also vergiss es. Halt einfach den Mund, und lass Jaelle überlegen, wie wir es am besten machen.«
Cholayna hielt den Mund. Es musste, so dachte Magda, das erste Mal in zwanzig Jahren gewesen sein, dass Cholayna als lästiges Anhängsel behandelt wurde. Jaelle musste die endgültige Entscheidung treffen. Magda holte Rationen aus den Satteltaschen und verteilte Riegel aus getrocknetem Obst und Fleisch.
»Ob wir weitergehen oder umkehren, wir werden später keine Zeit mehr für eine Mahlzeit haben. Vernünftigerweise haben wir die Pferde gefüttert. Esst.« Sie reichte Jaelle etwas von der Mischung aus Fleisch und Trockenobst. Jaelle steckte das Zeug geistesabwesend in den Mund und kaute.
Cholayna knabberte an einer Rosine, und Camilla sagte: »Iss auch von dem Fleisch. Was immer wir tun, in dieser Kälte brauchst du etwas Solides.«
Cholayna seufzte. Mit sichtlichem Widerwillen biss sie von dem getrockneten Fleisch ab. Camilla hatte Recht, das war Cholayna klar. Es tat Magda Leid zu sehen, wie sie dagegen ankämpfte, das verabscheute und ungewohnte Essen nicht auszuspucken. Cholayna Ares war es gewöhnt, Befehle zu erteilen, nicht, sie entgegenzunehmen. Zwar mochte sie in wichtigen Dingen gehorchen, bei denen es um ihrer aller Leben ging, aber früher oder später würde sie sich weigern, sich in persönlichen Angelegenheiten herumkommandieren zu lassen.
Vanessa blickte zum Himmel auf, dessen Farbe mit dem dichter fallenden Schnee bereits verblasste. »Also, was sollen wir tun? Wenn wir den Pass in Angriff nehmen wollen, verschwenden wir besser keine Zeit mehr. Und wenn wir es nicht wollen, sollten wir uns dann nicht eine geschützte Stelle suchen?«
Magda wusste, dass es nicht nach Jaelles Geschmack war, solche Entscheidungen zu fällen. Doch alle wandten sich ihr zu, verlangten es. Wie gern hätte sie ihre Freundin in die Arme genommen und sie beschützt! Aber wie es auch ausgehen mochte, Jaelle musste bestimmen.
Jaelle aß ihren Obst-und-Fleisch-Riegel auf, schluckte ein- oder zweimal und seufzte. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich schwöre, ich weiß es nicht! Vanessa, was meinst du?«
»Ich bin mit dieser Gegend nicht so vertraut wie du. Ich bin überhaupt nicht mit ihr vertraut. Willst du es wagen, komme ich mit. Probieren können wir es ja.«
»Magda, was sagst du dazu?«
»Ich bin bereit, das Risiko einzugehen, wenn du glaubst, wir können es schaffen.«
»Das weiß ich.« Jetzt klang Jaelles Stimme gereizt. »Ich frage dich, ob du glaubst, dass Cholayna es schafft und ob das Wagnis der Mühe wert ist. Sollen wir nicht doch den sicheren Weg wählen, umkehren und nach Hammerfell reiten? Oder würdest du mit Cholayna über Hammerfell nachkommen, während Van und ich über den Pass gehen, Rafaella einzuholen versuchen und auf euch in Barrensclae warten?«
»Vielleicht solltest du Vanessa fragen«, sagte Magda halb im Scherz. »Sie ist für Personalfragen zuständig. Ich finde ja, wir sollten alle gemeinsam entweder den Pass überqueren oder umkehren und den Umweg machen. Wenn Cholayna umkehrt, muss ich mit ihr gehen. Was meinst du, Cholayna? Willst du es versuchen? Ich sehe keinen Sinn darin, drei Tage zu verlieren, aber nur du kannst sagen, ob
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