Die Schwarze Schwesternschaft
Schläfe. Die daraus resultierende Schmerzwelle überzeugte sie, dass sie sich in der Realität befand.
Denke!, ermahnte sie sich. Auf Cholaynas Rat hatte sie nichts von dem Wein getrunken, und die Dorfbewohner hatten bestimmt nicht jedes einzelne Gericht vergiftet. Deshalb hatte sie wahrscheinlich nur wenig von der Droge zu sich genommen, und Cholayna noch weniger. Wenn ich sie nur erreichen könnte!
Wenn Cholayna doch zu den Terranern gehörte, die Laran besaßen! So viel Magda wusste, war dies nicht der Fall. Gegen Schwäche, Übelkeit und Tränen ankämpfend, kroch Magda irgendwie auf Vanessa, die in ihrem Betäubungsschlaf protestierend murmelte:
»Verdammt noch mal, leg dich hin und schlafe, lass mich schlafen… «
Vanessa war ihr am nächsten, am leichtesten zu erreichen. Magda wollte sie schütteln, brachte aber nur einen schwachen Griff um Vanessas Schultern zu Stande, und ihre Stimme war nicht mehr als ein belegtes Flüstern.
»Vanessa, wach auf! Bitte, wach auf.«
Vanessa drehte sich schwer auf die andere Seite und fasste verschlafen nach ihrem Kissenersatz, als wolle sie ihn sich übers Gesicht ziehen. Magda mit ihrem weit offenen Laran spürte, wie die andere Frau sich tiefer in ihre Träume zurückzog.
Sie waren leichte Beute für die Bewohner dieses Ortes gewesen. Der schreckliche ausgewaschene Pass, die menschenleere Wildnis von Barrensclae - und dann ein gastfreundliches Dorf, ein Badehaus, gutes Essen und reichlich Wein. Die meisten Reisenden würden am Ende eines solchen Weges schlafen wie die Toten, auch ohne das teuflische Betäubungsmittel, das die Dorfbewohner der Sicherheit wegen angewandt hatten.
Vanessa schlief fast ebenso fest wie Jaelle. Sie hatte nach der Tortur, mit ihrem verletzten Knöchel reiten zu müssen, dem Wein ebenfalls eifrig zugesprochen. Also musste es wohl oder übel Cholayna sein. Trotz ihrer Verzweiflung, trotz ihres hämmernden Kopfes und ihres Kampfes mit dem eigenen Körper und Gehirn, die ihr nicht gehorchen wollten, wäre Magda fast in hysterisches Gelächter ausgebrochen bei dem Gedanken, wie Vanessa reagieren würde, wenn sie plötzlich aufwachte und sie, Magda, auf sich liegend fand. Leider war es ihr unmöglich, aufzustehen und um Vanessa herumzugehen, deshalb blieb ihr keine andere Wahl, als vorsichtig über sie wegzukriechen.
Wenn ich sie nur überhaupt wach bekomme, will ich es gern darauf ankommen lassen, dass sie »Vergewaltigung« schreit, sagte Magda sich. Aber obwohl Vanessa im Schlaf murmelte und fluchte und sogar ein- oder zweimal nach Magda schlug, wachte sie nicht auf. Magda war jetzt Cholayna nahe genug, dass sie sie an der Schulter fassen konnte.
»Cholayna«, flüsterte sie, »Cholayna, wach auf!«
Auch wenn Cholayna Ares wenig gegessen und fast nichts getrunken hatte, nach der langen und anstrengenden Reise schlief sie sehr fest. Magda musste sich mehrere Minuten lang bemühen, bis Cholayna die Augen öffnete und sie ansah. Noch nicht ganz wach, schüttelte Cholayna ungläubig den Kopf.
»Magda? Was ist los? Ist dein Kopfweh schlimmer geworden? Brauchst du… «
»Das Essen… der Wein… ein Betäubungsmittel! Camilla hatte Recht. Sieh sie dir an, sie würde sonst nicht auf Wache einschlafen… « Es kostete Magda Mühe, sich mit ihrem angestrengten, zittrigen Flüstern verständlich zu machen; immer wieder versagte ihr die Stimme. »Cholayna, das ist mein Ernst! Ich bin nicht… betrunken, nicht verrückt… «
Langsam drang die Botschaft zu Cholayna durch, wenn nicht die Worte, dann doch der dringliche Ton. Sie setzte sich auf und hielt in der Scheune Umschau. Wieder einmal bewunderte Magda, die selbst unfähig war, die Geschehnisse zu koordinieren, die Tüchtigkeit der ehemaligen Agenten-Ausbilderin.
»Kannst du dich aufsetzen? Kannst du schlucken?« Mit einer einzigen Bewegung war Cholayna auf den Füßen und suchte in ihrem Bündel nach einer Kapsel. »Das ist ein mildes Stimulans. Ich gebe es dir ungern, wirklich, du hast vielleicht eine Gehirnerschütterung, aber du bist bei Bewusstsein, die anderen sind es nicht. Versuch, das hier zu schlucken.«
Magda steckte die Kapsel in den Mund, und es gelang ihr, sie hinunterzuwürgen. Undeutlich tauchte die Frage in ihr auf, welche Wirkung das terranische Anregungsmittel, gemischt mit der Droge der Dorfbewohner zeigen würde. Es könnte mich umbringen, dachte sie. Aber wahrscheinlich wäre es immer noch
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