Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
des Blutes sich insgeheim daran erinnern, was es bedeutet, die Dunkelheit zu ehren. Wo Männer noch wissen, was es bedeutet, wahrhaft zu dienen, und Hexen noch wissen, dass ein Dienstvertrag kein einseitiger Handel ist. Diejenigen, die sich noch daran erinnern, mögen mit der Zeit die Kontrolle über ihre Gebiete verlieren, sind vielleicht gezwungen, vorsichtig zu leben, aber sie müssen unbedingt überleben, um ihr Volk wieder ins Leben zurückzurufen, wenn es so weit ist.«
»Wenn was so weit ist?«, fragte Jared und beugte sich vor.
Daemon zögerte. »Wenn eine Königin, die viel mächtiger sein wird, als Dorothea es sich auch nur in ihren kühnsten Träumen vorstellen kann, durch die Reiche wandert. Sie wird kommen. So viel weiß ich. So viel hat man mir versprochen«, fügte er leise hinzu.
Sie tranken schweigend.
»Warum hast du mich hierher gerufen?«, fragte Jared nach einer Weile.
»Um mich zu verabschieden. Und um dir zu raten, kein Narr zu sein.«
»Inwiefern?« Jared wartete. Hoffte. Sämtliche Gespräche, die er im Laufe der langen Winternächte mit Talon geführt
hatte, hatten seine Zweifel nicht besänftigen können, weil Talon im Grunde keine Ahnung hatte, was es bedeutete, ein Lustsklave zu sein. Doch wenn jemand wusste, wie tief diese Form der Sklaverei einen Mann verwundete, dann Daemon Sadi.
»Es gibt viele Schattierungen und Nuancen der Liebe, Jared«, sagte Daemon leise. »Nicht alle sind reich und tief genug, um golden sein zu können. Dir bietet sich eine Gelegenheit, von der viele Männer nur träumen können. Lass dir Gold nicht durch die Finger gleiten.«
Vorsichtig schenkte Jared ihnen beiden nach. »Ist es nicht ungerecht, eine starke Königin an einen Gefährten zu binden, der eine erniedrigende Vergangenheit hat?«
»Ist es nicht ungerecht, einer Frau den Mann zu verweigern, der sie mit jeder Faser seines Körpers liebt?«, entgegnete Daemon.
»Ich war neun Jahre lang Lustsklave.«
»Neun Jahre«, fauchte Daemon ungeduldig. »Was sind neun Jahre im Vergleich zu Jahrhunderten ?«
»Würdest du eine Königin bitten, dich als ihren Ehemann zu akzeptieren?«
»Auf der Stelle.«
Jared lehnte sich zurück. Die schreckliche Sehnsucht, die Daemons Augen füllte, flößte ihm gleichzeitig Ehrfurcht und ein wenig Angst ein.
»Du liebst jemanden«, flüsterte er. »Wen?« Er biss sich auf die Zunge, da er die Frage sofort wieder bereute.
Daemons Lächeln war freundlich und ein wenig selbstironisch. »Ich weiß es nicht. Sie ist noch nicht geboren worden. Aber ich liebe sie und diene ihr schon mein ganzes Leben lang. Ich werde keine andere lieben. Und willentlich werde ich keiner anderen dienen.« Er streckte die Hand über den Tisch aus und legte sie auf Jareds. »Lass dir Gold nicht nehmen, Jared. Verbringe den Rest deines Lebens nicht damit zu bereuen, dass du das Risiko nicht eingegangen bist.«
Dann leerte Daemon sein Glas und erhob sich. »Ich muss gehen.«
Jared stand ebenfalls auf. Es gab so vieles, was er sagen wollte, doch Worte reichten nicht aus. Nach einem tiefen Atemzug packte er Daemon an den Schultern, öffnete seine inneren Barrieren und ließ seine Gefühle durch seine Hände strömen – seine Dankbarkeit, seine Freundschaft und die ehrliche Hoffnung, dass Daemon eines Tages seine Lady finden würde.
Ein wenig beschämt trat er einen Schritt zurück. »Möge die Dunkelheit dich umarmen, Prinz Sadi.«
Daemon nahm Jareds Gesicht in seine Hände und küsste ihn sanft auf den Mund. »Und dich, Lord Jared. Und dich.«
Jared blieb noch lange, nachdem Daemon fort war. Er hob sein Glas und stellte es dann wieder ab, ohne davon getrunken zu haben.
Nachdem Jared sich ein letztes Mal umgesehen hatte, verließ auch er die Herberge.
Es war an der Zeit, nach Grauhafen aufzubrechen.
Es war an der Zeit, ein Risiko einzugehen.
Kapitel 42
Entschuldigung!«, rief Jared. Er lenkte den kastanienbraunen Wallach näher an die kniende Frau heran und verbiss sich seine Ungeduld. Die letzte Stunde hatte er sich damit um die Ohren geschlagen, auf dem Anwesen Grauhafen umherzuwandern, immer den vagen Wegbeschreibungen folgend, die man ihm gegeben hatte. Lady Lia, hatte man ihm gesagt, sei draußen damit beschäftigt, ein paar Pflanzen zu sammeln. Er solle nur dem Pfad dort folgen, dann würde er schon früher oder später auf sie stoßen.
Er war dem Pfad und etlichen Abzweigungen gefolgt. Jeder, den er unterwegs getroffen hatte, hatte ihn fröhlich in eine andere Richtung
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