Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
geschickt.
Tja, die Frau vor ihm, die ihm nicht geantwortet hatte, schien sich der gleichen Aufgabe wie ihre Herrin zu widmen. Hoffentlich war er also auf dem richtigen Weg. Vielleicht war sie eine Dienstbotin, die Lia begleitet hatte. Eine niedere Dienstbotin, mutmaßte er mit einem Blick auf die schäbige Kleidung und den breitkrempigen Strohhut, der aussah, als sei er von mehreren schweren Wagen überrollt worden.
»Dürfte ich dich um einen Augenblick deiner Zeit bitten?« Beim Feuer der Hölle, jegliche Dienstbotin, die eine Königin begleitete, sollte sich besser anziehen …
Die Frau stand auf, zog sich den Hut vom Kopf und drehte sich um.
Jared starrte das lange graue Haar, die grauen Augen und das graue Juwel an, das ihr an einer Goldkette um den Hals hing.
Er stieg ab und meinte demütig: »Ich bitte um Verzeihung, Lady. Ich wollte dich auf keinen Fall stören.«
Die Luft um ihn her kühlte sich merklich ab. Der Wallach stieß ein Schnauben aus und wich so weit wie möglich zurück.
»Du musst Lord Jared sein«, sagte Grizelle kalt.
Jared schluckte hart. »Du hast von mir gehört?«
»Du bist der Krieger, dessen Tapferkeit und Ehrgefühl einer jungen Königin dabei geholfen haben, eine gefährliche Reise zu überstehen.« Grizelles Stimme wurde messerscharf. »Und du bist der Esel, der meine Enkelin zum Weinen gebracht hat.«
Jared ließ die Schultern hängen, doch sein Herz vollführte hoffnungsvolle Freudensprünge. Er hielt seinen Blick fest auf den Boden zwischen ihnen gerichtet. »Ich habe Zeit gebraucht, Lady. Ich musste meine Sklavenhaut abwerfen.« Er hob den Blick.
Grizelle musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Anscheinend bist du dabei erfolgreich gewesen.«
Weder ihre Miene noch ihre Stimme war auch nur eine Spur weicher geworden.
Jared konnte ein Zittern spüren, das an seinen Fußsohlen einsetzte und sich seinen Körper emporarbeitete. Dies hier war die Graue Lady, die immer noch die Königin von Dena Nehele war und ihn ohne weiteres aus ihrem Territorium verbannen konnte.
Und es war die Familienmatriarchin, der die Entscheidung oblag, ob er auch nur versuchen durfte, auf die Zukunft hinzuarbeiten, die er sich erhoffte.
»Warum bist du hier, Krieger?«
»Ich …« Jared holte tief Luft. »Ich möchte Lia sprechen.«
Grizelle verengte die Augen. »Hast du vor, dich danach wieder aus dem Staub zu machen und einem ohnehin schon verletzten Herz noch mehr Schmerzen zuzufügen?«
»Nein!« Er zwang sich, ihrem Blick zu begegnen. Es war besser, jetzt Bescheid zu wissen, bevor er sich allzu große Hoffnungen machte. »Aber ich bin ein Lustsklave gewesen, Lady.«
Grizelles Augenbrauen schossen in die Höhe. »Ach?«, sagte
sie milde. »Dann gehe ich einmal davon aus, dass du weißt, wie man jemandem in einer kalten Winternacht das Bett wärmt.«
Jared öffnete den Mund. Als seine Zunge auszutrocknen begann, schloss er ihn wieder.
Grizelle neigte den Kopf zur Seite und betrachtete ihn neugierig. »Es ist sehr verlockend, dich nach deiner Eignung als Gefährte zu befragen, aber mir ist aufgefallen, dass junge Männer ziemlich prüde sein können, was das Besprechen ihrer sexuellen Fähigkeiten anbelangt. Entweder sehen sie aus, als würden sie jeden Moment in Ohnmacht fallen, oder sie fangen an, Unsinn zu reden. Glücklicherweise ist Harland reif genug, um in dieser Hinsicht nicht hinter dem Berg zu halten.«
Jared presste die Knie zusammen, da er befürchtete, sie könnten nachgeben.
Im Augenblick klang die Möglichkeit, in Ohnmacht zu fallen, sehr verlockend.
»Bei Lia bist du nicht derart schüchtern, oder?«, wollte Grizelle wissen.
»Nein, aber ich …« Jared biss die Zähne zusammen. Im nächsten Augenblick würde er anfangen, Unsinn von sich zu geben. Das wusste er. Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar, wobei es sich aus dem Lederband löste, mit dem es zusammengebunden war. »Beim Feuer der Hölle«, murmelte er und stopfte sich das Lederband in die Manteltasche. »Den Haylliern gegenüberzutreten, war einfacher.«
Grizelle lachte. »Ja, das glaube ich gerne.«
»Oma!«
Lias Stimme ließ Jared herumwirbeln.
»Oma, ich habe alles …«
Lia erklomm einen kleinen Hügel und erblickte ihn dann.
Eine Welle der Freude, angefüllt mit ihrer mentalen Signatur, wusch über ihn hinweg, wurde jedoch rasch von Unsicherheit gefolgt.
Sie trug Hosen, schlammverkrustete Stiefel und den viel zu großen Pullover, den sie in der Herberge bekommen hatte.
Sein Herz tat weh, denn er
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