Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
dazu hatte dieser Sklave von Anfang an eine Sonderbehandlung erfahren.
Beinahe hatte er das Gefühl, als vermute Thera etwas bezüglich der Truhe, ohne es ihm gegenüber jedoch erwähnen zu wollen.
Warum hatte die Graue Lady kein graues Schloss an der Truhe angebracht?
»Sonst noch was?«, wollte Thera wissen.
Klang sie eine Spur abwehrend?
»Können wir weiterreisen?«, fragte Jared. »Wir sollten das restliche Tageslicht nutzen und uns nach einem Lagerplatz umsehen.«
»Sicher. Wir sorgen dafür, dass sie es bequem hat.« Thera hielt inne. »Kommst du jetzt rein? Du bist an der Reihe.«
»In ein paar Minuten.« Als Thera sich daran machte, die Tür zu schließen, stemmte Jared die Hand dagegen und stellte die Frage, die ihm wirklich auf den Lippen brannte: »Ist wirklich nur ihr Knie verletzt?«
Thera legte abwägend den Kopf schief. »Ein paar Blutergüsse. Nichts, was nicht leicht abheilen würde.«
Keine Wut. Keine Kritik. Irgendwie machte es das noch schlimmer.
Thera öffnete die Tür einen Spalt weiter. Es war eine stillschweigende Einladung.
Jared trat rückwärts von der Treppe auf den Boden.
»Schwanz einziehen gilt nicht«, versetzte Thera spitz. »Vielleicht musst du sie später festhalten, wenn Tomas und ich Lady Missmut nicht überzeugen können, dass sie besser liegen bleibt und ihr Knie schont, damit es heilen kann.«
»Keine gute Patientin?«, fragte Jared höflich.
Mit einem verächtlichen Schnauben schloss Thera die Tür.
Jared fühlte sich ein wenig besser, als er um den Wagen herumging und Blaed mit einem Kopfnicken bedeutete, dass sie wieder aufbrechen konnten. Sie konnte nicht ernsthaft verletzt sein, wenn sie schon wieder Gift und Galle spuckte. Schmerzhaft war die Verletzung gewiss, aber nichts, weswegen sie nach einer Heilerin hätten suchen müssen.
Brock hatte auf ihn gewartet. »Wie geht es ihr?«
Es entging Jared nicht, dass der Krieger, der purpurne Juwelen trug, automatisch an seine linke Seite trat und damit die eigene untergeordnete Stellung in der Juwelenhierarchie berücksichtigte.
»Das Krankenlager langweilt sie bereits«, antwortete Jared. Er fühlte förmlich, wie Brock sich entspannte. »Kennst du irgendwelche interessanten Geschichten?«
Erst wirkte Brock verblüfft, dann argwöhnisch. »Kommt ganz darauf an, was du meinst. Geschichten, die man sich am Lagerfeuer erzählt? Solche Sachen?«
Jared lief ein Schauder über den Rücken. Er wusste, wie gefährlich es sein konnte, Geschichten zu erzählen. An einem der Höfe, an denen er gewesen war, hatte ein Gast eine Lady in der Hoffnung auf eine Einladung in ihr Schafgemach unterhalten wollen. Er hatte eine witzige, aber höchst unvorteilhafte Anekdote über eine adelige Hexe zum Besten gegeben. Namen hatte er keine genannt, sondern die Geschichte nur so wiedergegeben, wie er sie selbst erzählt bekommen hatte. Allerdings war die Geschichte reich an Details gewesen – und die betreffende Lady, die ebenfalls an dem Hof zu Gast war, erkannte sich selbst darin wieder. Vielleicht hätte er überlebt, wenn nicht auch etliche andere
Gäste ihr anhand der Details vielsagende Blicke zugeworfen hätten.
Im Nachhinein hatte Jared sich gefragt, ob der Mann der Einzige war, der sich nicht erklären konnte, warum man ihm die Zunge herausgeschnitten hatte, bevor man ihm die Eingeweide aus dem Leib riss.
»Na ja, pikant genug, um eine ältere Königin zu zerstreuen, die ans Bett gefesselt ist«, sagte Jared, wobei er versuchte, die düsteren Erinnerungen von sich abzuschütteln. Brock war etwa in seinem Alter, alt genug, um den Seiltanz zu begreifen, der einem jeden Krieger bei Hofe abverlangt wurde.
Wenn er Brocks Gemurmel richtig deutete, begriff dieser nur allzu gut.
»Sieh mal«, meinte Jared gereizt, »Thera geht ungefähr so behutsam vor wie eine Schneelawine und kümmert sich nicht im Geringsten darum, was sie sagt oder zu wem. Der Vorfall ist noch keine Stunde her, und sie nennt die Graue Lady bereits ›Lady Missmut‹. Wenn wir nichts unternehmen, endet das Ganze entweder damit, dass die beiden einander an die Kehle gehen, was Thera nicht unbedingt überleben dürfte, oder die Lady lässt ihren Unmut an uns aus, indem sie ein paar Schädel einschlägt.«
Brock fuhr sich mit der Hand über das kurze hellbraune Haar. »Dafür, dass sie eine zerbrochene Hexe ist, kann Thera einem Mann ganz schön Feuer unter dem Hintern machen, hm? Süße Dunkelheit, viel wird uns da nicht übrig bleiben, was?« Er taxierte
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